Bei der Einnahme des Unglücksreaktors von Tschernobyl haben russische Soldaten nach Angaben von zwei ukrainischen Kraftwerksmitarbeitern ihre Fahrzeuge ohne Schutzausrüstung durch besonders stark verseuchtes Gebiet gelenkt.
Die Ukrainer waren nach eigenen Angaben am 24. Februar vor Ort im Dienst, als russische Truppen die Kontrolle über die AKW-Ruine übernahmen.
Dabei seien diese mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen durch den sogenannten Roten Wald gefahren und hätten Wolken von radioaktivem Staub aufgewirbelt, sagten die Männer, die namentlich nicht genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur Reuters. Einer von ihnen sprach von einem "selbstmörderischen" Vorgehen, da die Soldaten den Staub eingeatmet haben dürften.
Den Angaben zufolge erreichten speziell geschulte russische Soldaten erst eine Woche später das Kernkraftwerk. Auch sie hätten keine Sicherheitsausrüstung getragen, wie keiner der russischen Militärs in den folgenden Wochen, die man gesehen habe. Einer der beiden Mitarbeiter sagte, er habe mit einigen einfachen Soldaten sprechen können, die dort stationiert waren. "Als sie gefragt wurden, ob sie von der Katastrophe von 1986 wussten, der Explosion des vierten Reaktorblocks, hatten sie keine Ahnung", sagt er. "Sie hatten keine Ahnung, in welcher Art von Anlage sie sich befanden." Die Soldaten hätten nur erklärt, dass es sich um "kritische Infrastruktur" handle.
Die beiden Mitarbeiter wurden am Freitag per Telefon befragt. Reuters konnte ihre Angaben nicht überprüfen. Eine Stellungnahme des russischen Verteidigungsministeriums war nicht zu erhalten. Der diensthabende Leiter der Anlage, Waleri Seida, war nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Invasion selbst nicht vor Ort. Er habe jedoch von Augenzeugen gehört, dass russische Militärfahrzeuge in der gesamten Sperrzone umherfuhren und auch den Roten Wald passiert haben könnten. Die Region umfasst einige Dutzend Quadratkilometern und erhielt ihren Namen, als die Bäume nach dem Reaktor-Unglück eine rote Farbe annahmen. Sie gilt als besonders verseucht, und auch Mitarbeiter der Atomruine dürfen sie nicht betreten. "Niemand geht dorthin ... um Gottes Willen", sagte Seida. "Es gibt niemanden dort."