Vollständige Visasperre lehnt er ab

Schallenberg offen für Aussetzung von Visa-Abkommen mit Russland

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''Es gibt viele Möglichkeiten, wo wir ansetzen können'', sagte Schallenberg.

Kiew (Kyjiw)/Moskau/Prag. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich offen für eine Debatte über eine Aufhebung eines Abkommens mit Russland über Visa-Erleichterungen gezeigt. "Es gibt viele Möglichkeiten, wo wir ansetzen können", sagte Schallenberg vor einem informellen Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Dienstag in Prag. So könne etwa die Aufkündigung der Visa-Vereinbarung unter den EU-Staaten diskutiert werden. Eine vollständige Visa-Sperre in der EU für Russen lehnt Schallenberg ab.

"Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Kontaktlinien zur Zivilgesellschaft komplett kappen, ein Pauschalurteil fällen über 140 Millionen Menschen", warnte der Außenminister. "Für mich ist es auch wichtig, dass man jene Kräfte, die nicht zu (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin stehen, auch unterstützen." Die Zahl der Visa-Anträge aus Russland sei "überschaubar", so Schallenberg. "Die Zahlen sind in den Keller gerasselt" und hätten sich nach der Coronavirus-Pandemie seit 2019 nie erholt.

Russen müssten langwierigeres Verfahren durchlaufen

Ein EU-Diplomat hatte laut Nachrichtenagentur Reuters bereits am Montag gesagt, die Außenminister könnten sich grundsätzlich auf die Aussetzung eines Abkommens mit Russland über Visa-Erleichterungen einigen. Dies würde auch bedeuten, dass Russen ein langwierigeres Verfahren durchlaufen und 80 Euro statt 35 Euro für EU-Visa bezahlen müssten.

Schallenberg zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass die EU-Außenminister einen Kompromiss finden werden. Länder wie Polen, Tschechien, die baltischen Staaten oder auch nordische Länder wie Finnland und Dänemark fordern eine Aussetzung der Visavergabe an russische Staatsbürger oder haben die Einreise bereits teilweise beschränkt.

"Unglücklich" zeigte sich Schallenberg über den Verlauf der Debatte. Solche Diskussionen müssten hinter geschlossenen Türen unter den 27 EU-Staaten geführt werden, "bevor wir damit an die Öffentlichkeit treten", betonte der Außenminister. "Man muss immer zur Kenntnis nehmen, dass wir beobachtet werden, nicht nur von Moskau, nicht nur von Peking, sondern auch von der ganzen Welt."

"Die Sanktionen wurden nicht in Frage gestellt"

Angesprochen auf die kritischen Wortmeldungen von ÖVP-Politikern zu den EU-Strafmaßnahmen gegen Russland erklärte Schallenberg: "Die Sanktionen wurden nicht in Frage gestellt, wenn man sagt, sie sollen regelmäßig evaluiert werden, im Hinblick darauf, dass sie in Russland wirken und nicht als Boomerang auf uns zurückfallen, dann ist das völlig legitim."

Die Sanktionen seien "ein schmerzhafter Prozess", sagte der Außenminister. "Wollen wir das? Nein, sicher nicht. Hätten wir es gerne anders? Absolut." Aber es sei ein Irrglaube zu glauben, dass wenn man sie aufhebe, die Inflation wieder zurückgehen würde oder die Energiepreise wieder auf Vorjahresniveau sinken würden - der Gaspreisindex habe sich letztes Jahr vervierfacht, Benzin sei um 50 Prozent gestiegen und die Inflation habe schon Anfang Februar - also vor dem Krieg - bei sechs Prozent gelegen, erklärte Schallenberg. "Natürlich ist der Krieg ein Brandbeschleuniger", so Schallenberg, "aber die Sanktionen aufzuheben, "wäre nicht die Lösung".

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