100.000 Soldaten an Ukraine-Grenze

Ukraine: Was Putin wirklich will

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Erstmals starteten direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine in Paris.

Moskau/Kiew/Paris. Der Anstoß zu der Konferenz als letzten Ausweg kam von Frankreichs Präsidenten Macron und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz. Vertreter aus Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland begannen am Mittwoch auf Beraterebene im sogenannten Normandie-Format in Paris ihre Ge­spräche. Das erste Treffen in dieser Zusammensetzung seit mehr als zwei Jahren. „Das ist ein starkes Signal für die Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung“, so Andrij Jermak, Chef des Präsidialamts in Kiew.

Separatisten. Offiziell geht es um „Zukunftsüberlegungen zur Ukraine“. Endlich sollen jene Vereinbarungen umgesetzt werden, mit denen 2015 die Kampfhandlungen in den Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine beigelegt wurden. Seit 2014 stehen sich dort prorussische Separatisten und ukrai­nische Armee gegenüber.

Kampfzone. Bei einer möglichen Offensive will Putin jetzt diese Gebiete „an Russland anbinden“, so wie er es bei der Annexion der Krim gemacht hat. Deshalb habe er bis zu 100.000 Mann an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Auch wolle man ein Datum finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt. Das lehnte die Ukraine bisher offiziell ab. Moskau geht es aber nicht nur um den Donbass. Putin will die gesamte EU-Sicherheitsarchitektur verändern und den NATO-Einfluss im Osten zurückdrängen. Kritiker bezweifeln deshalb den Sinn der Pariser Beratungen ohne ­Einbeziehung der USA.

Ukraine: Was Putin wirklich will
© oe24

»Putin versteht nur klare Ansagen« 

Helmut Brandstätter war in Kiew, sprach mit ukrainischen Abgeordneten.

oe24.TV: Nach Gesprächen mit ukrainischen Politikern – wie groß ist die Kriegsangst in der Ukraine?

Helmut Brandstätter: Das, was Putin erreicht hat, ist eine unglaubliche Unsicherheit, das spürt man in allen Gesprächen. Es kann aber keiner sagen, was morgen passieren wird. Man spürt aber einen unglaublich starken Willen zur Verteidigung. Sollte es zu einem Einmarsch kommen, sagen alle, werden wir uns wehren. Das ukrainische Heer ist auch stärker als vor acht Jahren, als die Krim annektiert wurde.

oe24.TV: Was erwartet ­Kiew von Österreich?

Brandstätter:
Zwischen Recht und Unrecht gibt es keine Neutralität. Wenn es einen Staat gibt, der ­einen anderen angreift, kann es keine Neutralität geben. Kiew braucht diplomatische und politische Unterstützung sowie die klare Ansage: „Putin, du darfst dieses Land nicht angreifen!“ Die Ukraine ist ein selbstständiges Land mit sicheren Grenzen, das muss Putin anerkennen. Klare Positionen werden von uns ­erwartet, etwa, dass es im Fall eines Angriffes (die Pipeline) Nord Stream 2 nicht geben wird.

oe24.TV: Soll Österreichs Außenminister Schallenberg vermitteln?

Brandstätter: Putin versteht nur klare Ansagen. Gemeinsam stark mit Europa, aber nicht mit der Einzeldiplo­matie.

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