Von der gefeierten Astronauten-Legende zum Spitzenpolitiker.
Handys und Internet gab es noch nicht und selbst die Beatles waren noch keine Superstars, als sich am 20. Februar 1962 ein Mann auf dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida in die winzige Mercury-Kapsel "Friendship 7" zwängte. Mit einer Atlas-Rakete flog der damals 40-Jährige ins All - und schrieb Geschichte.
Als erster US-Raumfahrer umrundete John Glenn in knapp fünf Stunden den Planeten. Zurück auf der Erde wurde er dafür mit Konfettiparaden gefeiert und zum Helden der Nation erklärt. Danach wurde Glenn auch noch zum Spitzenpolitiker und 1998 mit 77 Jahren zum ältesten Amerikaner im All. Am kommenden Montag (18. Juli) wird das Multitalent 95 Jahre alt.
Zum Geburtstag benannte sein Heimat-Bundesstaat Ohio vor einigen Wochen einen Flughafen nach ihm. "Es ist eine große Ehre für mich, dieses Flugfeld mit meinem Namen zu haben", sagte Glenn bei der Zeremonie in Columbus, der Hauptstadt von Ohio. "Aber es geht nicht nur darum. Einer der wichtigsten Aspekte an so etwas ist, dass es möglicherweise die Aufmerksamkeit junger Menschen erregt und ihnen signalisiert, dass sie genauso viele neue Ziele in der Fliegerei erreichen können, wie bereits erreicht worden sind."
Geboren wurde Glenn 1921 als Sohn eines Eisenbahnschaffners. Nach einem Mathematikstudium kam er 1942 als Kadett zu den Marinefliegern. Zwei Jahre später flog er im Zweiten Weltkrieg von den Marshall-Inseln aus rund 60 Kampfeinsätze im Pazifik, Jahre später während des Korea-Feldzugs noch einmal so viele. Er zählte zu den erfolgreichsten Piloten seiner Zeit, wurde dutzendfach dekoriert. Dann testete er als Versuchsflieger neue Flugzeuge und wurde schließlich Astronaut.
Der allererste Amerikaner im Weltraum war Glenn nicht: Diese Ehre wurde am 5. Mai 1961 dem 1998 gestorbenen Alan Shepard zuteil, der an Bord einer Mercury-Kapsel ins All geschossen wurde und wenige Sekunden in der Schwerelosigkeit verbrachte. Glenn hatte sich der Legende nach mit einem Wutausbruch die Chance auf diese Pole-Position selbst verbaut: Das Mitglied der Presbyterianer-Kirche rief seine lebenslustigen Astronautenkollegen 1961 recht harsch dazu auf, nicht jeder Frau hinterher zu rennen, weil sie damit den Ruf des gesamten Raumfahrtprogramms gefährdeten. Die verärgerten Kollegen sollen aus Rache dagegen gestimmt haben, dass Glenn als erster oder zweiter Amerikaner ins All fliegt.
Als ob es erst zwei Wochen her wäre
Den Rekord des ersten Amerikaners, der die Erde umrundet, bekam er 1962 dann aber trotzdem. "Der Tag hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt", sagte er ein halbes Jahrhundert später dem Radiosender NPR. "Es fühlt sich an, als ob es erst zwei Wochen her wäre und nicht 50 Jahre. Zurückschauen ist okay - aber ich schaue lieber nach vorne."
Am 29. Oktober 1998 schaffte er einen zweiten Rekord: Kein Astronaut zuvor war so alt wie Glenn mit seinen 77 Jahren, als er unter den Augen von Millionen begeisterter Zuschauer mit dem Space Shuttle "Discovery" zu einem neuntägigen Weltraumeinsatz startete. Mit dem Flug sollte untersucht werden, wie sich die Schwerelosigkeit auf ältere Menschen auswirkt. Glenn überstand alles problemlos und scherzte später, er habe beweisen wollen, "dass Senioren eines Tages Urlaub im All machen können".
Die Zeit zwischen seinen Weltraumflügen nutzte er erfolgreich als Politiker. 1974 ließ ihn unter anderem sein anhaltender Ruhm die Wahl zum US-Senator gewinnen. Den Posten hielt er fast ein Vierteljahrhundert. In der Politik musste der Demokrat allerdings auch harte Niederlagen einstecken: 1976 scheiterte er daran, Vize-Präsidentschaftskandidat von Jimmy Carter zu werden. 1984 unternahm Glenn einen vergeblichen Anlauf, für seine Partei als Präsidentschaftskandidat ins Rennen zu gehen.
Trotzdem konnte Glenn, der 1943 seine Frau Anna Margaret geheiratet und mit ihr zwei Kinder hatte, von der Politik nie ganz lassen. Mit einem nach ihm benannten Institut an der Universität von Ohio wollte er Jugendliche für Regierungsämter fit machen. Auch in das Weltraum-Programm der US-Raumfahrtagentur NASA mischte er sich immer wieder öffentlichkeitswirksam ein und kritisierte zum Beispiel die Abhängigkeit von Russland bei den bemannten Raumflügen.
Bis ins hohe Alter hielt sich Glenn zudem mit Gewichtheben und Golf fit. Sein kleines Flugzeug verkaufte er erst mit fast 90 Jahren - nachdem sowohl er als auch seine Frau künstliche Kniegelenke eingesetzt bekommen hatten. Nur unter Schmerzen habe er sich von seiner Beechcraft Baron getrennt, sagte Glenn damals dem Radiosender NPR. "Aber ich liebe es immer noch zu fliegen und das wird immer so bleiben."