Trump bleibe "auf alle Fälle ein Faktor" in der US-Politik, so ein Experte. Die Frage ist nun, ob er bereits in vier Jahren wieder Präsident werden will oder doch eines seiner Kinder ins Rennen schickt.
Der Politikwissenschafter Reinhard Heinisch geht davon aus, dass sich der abgewählte US-Präsident Donald Trump seinem Schicksal fügen wird. "Ich glaube nicht, dass er es auf die Spitze treiben wird", sagte Heinisch am Samstagabend der APA in einer ersten Reaktion auf die Ausrufung des Demokraten Joe Biden zum US-Präsidenten. Trumps Manöver zielten darauf ab, die Legitimität Bidens zu beschädigen und selbst politisch im Spiel zu bleiben.
"Es geht vielmehr darum, Nebel zu erzeugen und eine Dolchstoßlegende zu schaffen", sagte der Politikwissenschafter an der Universität Salzburg. Trump werde keine Verfassungskrise heraufbeschwören, aber alles tun, dass im Zusammenhang mit den Wahlbetrugsvorwürfen "etwas an Biden hängen bleibt". So geht Heinisch davon aus, dass Trump nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers am 20. Jänner teilnehmen werde, um seinen Anhängern zu signalisieren: "Ich weiche der Gewalt, ich weiche dem System."
Trump 2024?
Trump bleibe "auf alle Fälle ein Faktor" in der US-Politik, sagte Heinisch. Er schloss auf eine entsprechende Frage auch nicht aus, dass der abgewählte Präsident ein weiteres Antreten bei der Präsidentschaftswahl ankündigen könnte. "Das braucht er, um relevant zu bleiben", sagte der Politikwissenschafter. Offen sei aber, ob er dann im Jahr 2024 tatsächlich antreten werde oder dann doch eines seiner Kinder ins Rennen schicken werde. Schließlich werde er dann 78 Jahre alt sein.
Heinisch bekräftigte seine Einschätzung, dass die republikanische Partei weiterhin von Trump dominiert sein werde. Schließlich habe der Amtsinhaber der konservativen Partei ganz neue Wählerschichten erschlossen, zog Heinisch einen Vergleich mit der ÖVP unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und ihren Erfolgen bei FPÖ-Wählern. Während nämlich in konservativen Vorstädten Biden gewählt worden sei, habe sich Trump die Stimmen von Latinos und Arbeitern in langjährigen Demokratenhochburgen wie Detroit sichern können. Trumps Republikaner seien eine "Arbeiter- und Unterschichtspartei", so Heinisch.
Experte rechnet Trumps Anfechtung wenig Chancen aus
Formell sei die Wahl noch nicht entschieden, verwies Heinisch auf die noch abzuschließenden Auszählungen. "In der Verfassung kommen die Networks nicht vor", sagte er zur durch die großen Fernsehsender erfolgte Ausrufung Bidens zum gewählten US-Präsidenten. Gleichwohl seien Trumps Chancen, seine Niederlage auf juristischem Weg abwenden zu können, verschwindend.
"Ich gehe nicht davon aus, dass das erfolgreich sein wird", sagte Heinisch zu möglichen Klagen Trumps gegen den Wahlausgang in den umkämpften Bundesstaaten. Dies gelte insbesondere dann, wenn Biden neben Pennsylvania auch andere Staaten gewinne. Denn während die Lage in Arizona, Georgia und Nevada "relativ klar" sei, gebe es in Pennsylvania mit den zu spät eingelangten Briefwahlstimmen einen möglichen Anfechtungsgrund. "Wenn Biden in allen drei Staaten (Pennsylvania, Arizona und Georgia, Anm.) gewinnt, ist die Anfechtungsmöglichkeit gering", sagte Heinisch.
Jedenfalls seien aber noch die Neuauszählungen (Recounts) abzuwarten. "Die ändern nie das Ergebnis", sagte Heinisch. Allerdings dienen sie dazu, die Betrugsvorwürfe zu prüfen, weil unter den Augen von Demokraten und Republikanern alle Stimmen noch einmal gezählt werden. Heinisch wies darauf hin, dass die Landesbehörden in Georgia und Arizona republikanisch kontrolliert seien und sie bisher betont hätten, dass der Wahlprozess "integer" gewesen sei. "Niemand hat sich auf Trumps Seite gestellt."
Die Situation sei auch "komplexer" als im Jahr 2000, als der Streit über den Wahlausgang im Staat Florida letztlich vom Höchstgericht entschieden worden sei. Damals habe der Vertreter des republikanischen Kandidaten George W. Bush, James Baker, viel geschickter agiert, indem er die US-Demokratie auf dem Spiel gesehen habe. Auch sei es damals nur um einen Staat gegangen, nicht voraussichtlich um mehrerer wie diesmal. Trump habe sich nun keinen Dienst erwiesen, indem er sich noch in der Wahlnacht zum Sieger erklärt habe. Damit habe er es den Höchstrichtern sehr schwer gemacht, zu seinen Gunsten zu entscheiden, so Heinisch.
Auf die Frage, was in den restlichen zwei Monaten seiner Amtszeit von Trump zu erwarten sei, sagte Heinisch: "Sich selbst begnadigen." Angesichts der vielen juristischen Probleme müsse er diesen Schritt nämlich setzen, um politisch weiter tätig sein zu können.