Der Machtkampf der Republikaner geht in die nächste Runde.
Washington. Der Republikaner Kevin McCarthy ist am Donnerstag auch im neunten Anlauf bei der Wahl zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses durchgefallen. Mehrere stark rechtslastige Republikaner verweigerten dem 57-Jährigen am Donnerstag in Washington erneut in mehreren Abstimmungsrunden die Unterstützung. Seine parteiinternen Gegner halten McCarthy für zu gemäßigt und ziehen seine Loyalität zu Ex-Präsident Donald Trump in Zweifel. Annäherungsversuche McCarthys blieben erfolglos.
McCarthy hatte seinen Widersachern in den Reihen seiner Republikaner in der Nacht zu Donnerstag weitreichende Zugeständnisse gemacht. An der Ablehnung seiner Kandidatur durch die Vertreter des ultrarechten Parteiflügels änderte dies aber nichts.
Der 57-Jährige soll sogar eingewilligt haben, die Hürden für die Abberufung eines Vorsitzenden im Repräsentantenhaus noch weiter zu senken. Damit bietet er seinen Gegnern ein Druckmittel, ihn nach Belieben wieder aus dem Amt zu jagen. Dies könnte schwerwiegende Folgen haben und zu noch mehr Instabilität führen, wenn im Kongress wichtige Entscheidungen anstehen. Die Rechtsaußen-Abgeordneten könnten die Kammer in Geiselhaft nehmen. McCarthy war den Abtrünnigen in diesem Punkt bereits zuvor weit entgegengekommen - allerdings ohne Erfolg.
Neues Niveau an "Verzweiflung"
Er zeige nun ein neues Niveau an "Verzweiflung", urteilte der Sender CNN. McCarthy war am Dienstag und Mittwoch in sechs Wahlgängen durchgefallen und wurde blamiert. Die Demütigung setzte sich nun am Donnerstag fort. Einer seiner Widersacher stimmte sogar für Ex-Präsident Trump während der mündlichen Abstimmung. Bei der Abstimmung können die Abgeordneten auch für Personen stimmen, die gar nicht Mitglieder des US-Kongresses sind. Trump werden keine realistischen Chancen eingeräumt, zum Vorsitzenden der Parlamentskammer gewählt zu werden.
Auch ein Appell von Ex-Präsident Trump hatte nichts an der verfahrenen Situation geändert. Dieser hatte McCarthy bereits zuvor unterstützt - und ihm aber nach dem Abstimmungsdebakel noch einmal Rückendeckung gegeben. Doch die glühenden Trump-Fans blockierten McCarthy weiter.
Bei der siebenten, achten und neunten Abstimmung verweigerten wie schon zuvor 21 seiner 221 republikanischen Kollegen die Zustimmung. McCarthy kann sich aber nur vier Abweichler in den eigenen Reihen leisten, um die nötige Mehrheit zu erlangen.
Wahlmarathon im Repräsentantenhaus
Der Wahlmarathon im Repräsentantenhaus ist für die oppositionellen Republikaner ein Debakel, da sie seit den Zwischenwahlen vom Herbst die Mehrheit in der Kongresskammer stellen. Selbst wenn McCarthy letztlich noch gewählt werden sollte, handelt es sich bereits um eine Blamage von historischer Dimension: Zuletzt war vor hundert Jahren mehr als eine Abstimmungsrunde nötig, um in der konstituierenden Sitzung des Repräsentantenhauses von 1923 einen Vorsitzenden zu wählen.
Sogar seit 160 Jahren hatte es bei der Wahl des "Speakers" keine neun Abstimmungen mehr gegeben. Im Jahr 1856 hatten sich die Kongressabgeordneten sogar erst nach zwei Monaten und 133 Wahlgängen geeinigt. Der republikanische Abgeordnete John James aus dem US-Bundesstaat Michigan forderte seine Kollegen auf, sich hinter McCarthy zu stellen. Es bestehe "kein Zweifel daran, dass die Probleme, die uns heute spalten, weitaus weniger gravierend sind als die, die wir 1856 hatten", sagte er.
McCarthy könnte Verhandlungen mit Demokraten aufnehmen
Wenn McCarthy sich nicht mit den Gegnern in seiner Partei einigen kann, könnte er womöglich versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde. Möglich wäre auch, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die Republikaner verständigen könnten. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den Demokraten über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden.
Dass die Demokraten aktuell aber große Freude daran zu haben scheinen, McCarthy scheitern zu sehen, zeigte sich am Mittwochabend (Ortszeit). Die Abgeordneten waren nach einer Pause zu einer erneuten Sitzung zusammengekommen. McCarthy hatte zuvor gesagt, dass eine weitere Abstimmung am Abend keinen Erfolg bringen würde - einer seiner Vertrauten beantragte folglich eine Vertagung der Sitzung. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Moment wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen.
Zerrissenheit der Republikaner
Der Machtkampf zeigt auch die Zerrissenheit der Republikaner. Sie hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert und wollten eigentlich Präsident Joe Biden vor sich hertreiben. Nun fragen sich viele, ob die dysfunktionale Partei überhaupt in der Lage ist, die wichtigen Aufgaben in der Parlamentskammer zu bewältigen.
Die Blockade der Wahl hat konkrete Folgen: Ohne Vorsitzenden können die Abgeordneten nicht vereidigt werden, Ausschüsse bilden und mit Gesetzesvorhaben beginnen. Die Wahl wird so lange wiederholt, bis ein Kandidat die einfache Mehrheit im Repräsentantenhaus erreicht.
Das Amt des "Speaker of the House" ist nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin das dritthöchste in der staatlichen Hierarchie der Vereinigten Staaten. McCarthy will auf dem Posten der Demokratin Nancy Pelosi nachfolgen.