Kosovo

Thaci nicht direkt in Organhandel verwickelt

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Nur Personen aus Umfeld des Premiers sollen beteiligt sein.

Der Sonderberichterstatter des Europarates, Dick Marty, hat seine Organhandelsvorwürfe gegen den kosovarischen Premier Hashim Thaci entschärft. In einem Exklusivgespräch mit dem kosovarischen TV-Sender RTK erklärte Marty am Dienstagabend, dass in seinem Bericht "nirgends von einer direkten Verwicklung Thacis in den Organhandel die Rede" sei. An dem Verbrechen seien allerdings Personen beteiligt gewesen, die zum Kreis des Ministerpräsidenten gehörten. Es falle zwar schwer, sich vorzustellen, dass Thaci nie etwas davon gehört haben soll. Er könne sich jedoch auch schlecht vorstellen, dass Thaci persönlich an einer Organentnahme teilgenommen habe, meinte der 66-jährige Schweizer Jurist.

Marty sagte auch, dass er nicht von "Hunderten" gesetzwidriger Transplantationen, sondern von einigen Fällen gesprochen habe. Es habe in der "Befreiungsarmee des Kosovo" (UCK) Fälle von Missbräuchen und Verbrechen gegeben, die untersucht werden müssten, meinte der Europarats-Sonderberichterstatter. Albanien war nach seinen Worten aufgrund der Angaben der dortigen Minister für Inneres und Justiz der Ansicht, dass es keinen Grund für Ermittlungen über eventuelle Ereignisse auf albanischem Gebiet gebe, da das Land nicht direkt in den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien verwickelt war.

Premier als Chef einer kriminellen Gruppe
n seinem Mitte Dezember veröffentlichten Bericht identifizierte Marty Premier Thaci als Chef einer kriminellen Gruppe aus der zentralkosovarischen Region Drenica. Diese soll nach Ende des Kosovo-Krieges Mitte 1999 auch in Organhandel verwickelt gewesen sein.

Die Anführer der "Drenica-Gruppe" seien für zwei Gruppen von Verbrechen, die in seinem Bericht beschrieben wurden, am meisten verantwortlich zu machen: für ein Netz von UCK-Gefangenenlagern in Albanien sowie für das Schicksal von Personen, viele gekidnappte Zivilisten eingeschlossen, die darin gefangen gehalten worden seien, steht in dem Bericht, in dem von sechs UCK-Gefangenenlagern in Albanien die Rede ist. In mindestens einem dieser Lager gab es laut dem Bericht eine zum Zweck des Organhandels gebaute Anlage. Zu ihr gehörte eine improvisierte Klinik, in der Gefangenen gegen ihren Willen Nieren entnommen wurden. Die Organe wurden nach Erkenntnissen von Marty im Ausland verkauft.

470 Personen verschwunden
Marty gab in dem Bericht ferner an, dass nach Ende des Kosovo-Krieges 470 Personen in der Region verschwunden seien, davon 95 Albaner und 375 Nicht-Albaner, vorwiegend Serben.

Thaci will zusammenarbeiten
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates soll sich nächste Woche zum Bericht Martys äußern. Der Sitzung werden auch Vertreter des Kosovo beiwohnen. Premier Thaci hat sich in einem Schreiben an den Europarat-Generalsekretär Thorbjorn Jagland am Mittwoch dafür eingesetzt, die volle Wahrheit über den angeblichen Organhandel festzustellen. Er versprach auch eine volle Zusammenarbeit seiner Regierung bei den Ermittlungen. Die kosovarischen Behörden hatten den Bericht Martys zuvor heftig kritisiert. Thaci selbst hatte im Dezember gedroht, gegen Marty vor Gericht zu ziehen.

Belgrad für Dialog mit Prishtina
Der Politische Direktor des serbischen Außenministeriums, Borko Stefanovic, bekräftigte unterdessen die Bereitschaft Belgrads, den seit langem erwarteten Dialog mit Prishtina aufzunehmen. Der Bericht Martys sei aber mit diesem Prozess nicht verbunden, sagte er gegenüber dem Sender B-92. Stefanovic gilt inoffiziell als Chef des künftigen Belgrader Verhandlerteams.

Belgrad hatte sich gleich nach der Veröffentlichung des Europarats-Berichtes für internationale Ermittlungen ausgesprochen. Diese Position wird nun auch von Premier Thaci unterstützt. Der Bericht war auch ein Thema der Gespräche, die laut früheren Medienberichten Isabelle Arnal, die Sonderstaatsanwältin für Organisierte Kriminalität der EU-Rechtsstaatsmission im Kosovo (EULEX), am Montag in Tirana mit der albanischen Generalstaatsanwältin Ina Rama geführt hatte.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) hat unterdessen empfohlen, einen "unabhängigen, hoch positionierten Staatsanwalt" seitens der EULEX-Mission mit der Untersuchung der Verbrechen zu beauftragen. Notwendig wäre auch ein gutes Zeugenschutzprogramm, unterstrich die HRW in einer Aussendung in Brüssel.
 

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