So lief einziges TV-Streitgespräch

Frankreich: Brutales Stichwahl-Duell

Teilen

Vier Tage vor der Stichwahl trafen Macron und Le Pen am Mittwochabend im einzigen TV-Duell aufeinander.

„Das ist noch nicht in trockenen Tüchern“, warnte Frankreichs Ministerpräsident Jean Castex knapp 
vor dem einzigen TV-Streitgespräch zwischen Emmanuel Macron und seiner extrem rechten Herausforderin Marine Le Pen. Laut aktueller Umfrage von IFOP führt Frankreichs Präsident vier Tage vor der Stichwahl am Sonntag mit 55 Prozent vor Le Pen mit 45 Prozent der Stimmen.

Trotzdem ist die Nervosität im Lager der Macronisten groß: Noch nie in der Geschichte hatte eine Kandidatin der extremen Rechten so viele Stimmen auf sich versammeln können – obwohl Konservative und Linke zur Wahl von Macron aufriefen, um „die Katastrophe zu verhindern“.

Macron an Le Pen: "Sie hängen von Putin ab"

So legte er es auch in der TV-Debatte an: "Sie hängen von der russischen Macht und sie hängen von Herrn Putin ab. Sie reden nicht mit anderen Führungspersönlichkeiten, sie reden mit ihrem Bankier, wenn sie von Russland reden", warf der Staatschef Le Pen an den Kopf.

Macron bezieht sich dabei auf einen Kredit, den Le Pen 2014 von einer tschechisch-russischen Bank aufnahm. Sie verteidigte sich mit dem Hinweis, dass französische Banken ihr eine solche Finanzhilfe nicht genehmigen wollten. "Finden Sie das nicht skandalös?", entgegnete Le Pen und sprach von einem demokratischen Defizit der Banken. Le Pen sagte zudem: "Ich bin eine absolut und total freie Frau."

Macron warf sie vor, ihre Partei 2015 als Minister daran gehindert zu haben, einen Kredit in Frankreich zu erhalten. Macron erwiderte, niemand habe damals interveniert. Zudem sei er Wirtschaftsminister gewesen, Banken hätten nicht zu seinem Aufgabengebiet gehört.

Le Pen will EU verändern, nicht verlassen

Macron warf Le Pen außerdem vor, wie bei ihrer Präsidentschaftskandidatur 2017 aus der EU austreten zu wollen. "Sie wollen immer noch aussteigen, denn sie haben das Programm nicht sehr geändert, aber sie sagen es nicht." Le Pen konterte, würde sie aussteigen wollen, würde sie es sagen. "Ich möchte in der Europäischen Union bleiben", betonte die 53-Jährige, aber: "Ich möchte sie gründlich verändern."

Le Pen geht es dabei darum, ein sogenanntes Europa der Nationen zu schaffen, in dem Brüssel deutlich in den Hintergrund treten soll. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass französisches Recht Vorrecht vor EU-Recht haben soll.

Amtsinhaber Macron sagte hingegen: "Ich glaube an Europa und ich glaube an das französisch-deutsche Paar." Die deutsch-französische Zusammenarbeit habe es ermöglicht, Abkommen zu erreichen. "Um Europa voranzubringen, braucht es ein französisch-deutsches Paar." Obwohl beide Kandidaten auch nach der Kooperation mit Berlin in der EU gefragt wurden, äußerte sich Le Pen kaum dazu. Sie sagte lediglich, dass Deutschland seine Interessen durchsetze.

Uneinig waren sich die beiden Kontrahenten auch beim Thema Unabhängigkeit. "Unsere Souveränität ist national und europäisch", sagte Macron. Le Pen erwiderte: "Es gibt keine europäische Souveränität, weil es kein europäisches Volk gibt."

Debatte um Stärkung der Kaufkraft

Zuvor haben Macron und Le Pen konträre Vorschläge zur Stärkung der Kaufkraft - einem Schlüsselthema im Wahlkampf - vorgelegt. Macron stellte Erhöhungen der Pensionen und des Mindestlohns sowie ein Festhalten an der Deckelung der Preise von Gas und Strom in Aussicht.

Außerdem gelte es, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken. Le Pen schlug das Senken der Mehrwertsteuer auf Energie sowie einen Wegfall der Steuern auf 100 Grundprodukte des täglichen Bedarfs vor.

Ganz andere Töne als 2017

Macron und Le Pen bemühten sich zum Start der TV-Debatte um einen sachlichen, wenn auch kritischen Austausch. Als sich beide vor der Wahl 2017 ebenfalls in einem TV-Duell gegenüber saßen, war die Diskussion von Beschimpfungen und persönlichen Angriffen geprägt. Nun zeigte Macron sich als Zuhörer, der seiner Kontrahentin bei einigen Feststellungen Recht gab - um sich aber im Anschluss zu bemühen, deren Schlussfolgerungen oder Forderungen zu widerlegen. Le Pen konzentrierte sich ebenfalls auf die Aussagen ihres Gegners und stellte sich als Anwältin der Bevölkerung dar.

Beide fischen im linken Wählerteich

Beide Kandidaten werben um die Wähler des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Runde mit knapp 22 Prozent auf den dritten Platz gekommen war. Er ruft dazu auf, "keine Stimme für Le Pen" abzugeben, aber verzichtet darauf, Macron zu unterstützen. Mélenchon hofft auf ein gutes Ergebnis seiner Bewegung La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) bei der Parlamentswahl im Juni und hat sich bereits als Premierminister ins Gespräch gebracht.

Für die letzten beiden Tage des Wahlkampfs plant Le Pen noch mehrere Besuche im Norden des Landes, wo sie in der ersten Runde gut abgeschnitten hat. Macron wird seinen Wahlkampf im südfranzösischen Nizza beschließen.

Am Freitag um Mitternacht beginnt die politische Funkstille, in der weder die Veröffentlichung von Umfragen noch von Interviews erlaubt ist. Die Wahllokale sind am Sonntag von 8.00 bis 19.00 Uhr geöffnet, in Großstädten auch bis 20.00 Uhr. Erste Hochrechnungen werden um 20.00 Uhr veröffentlicht.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.