Die britische Regierung forciert den Bau neuer Atomkraftwerke. Umweltschützer haben heftige Proteste angekündigt.
Großbritannien hat eine Rückkehr zur Atomenergie beschlossen. Wirtschaftsminister John Hutton sagte vor dem Parlament in London, es sei "zwingend", eine neue Generation von Atomkraftwerken einzuführen. "Die Regierung ist überzeugt, dass Atomkraftwerke im künftigen Energiemix dieses Landes eine Rolle spielen sollten, zusammen mit anderen Energiequellen mit geringem CO2-Ausstoß", sagte er. Umweltschutzorganisationen und die britischen Grünen kritisierten die Entscheidung.
Zehn AKWs
In Großbritannien gibt es derzeit zehn Atomkraftwerke,
die in den 60er und 70er Jahren errichtet wurden. Die Mehrzahl der insgesamt
19 Reaktoren wird 2023 abgeschaltet.
Die Regierung begründet ihre Entscheidung für den Bau neuer Atomkraftwerke unter anderem mit den steigenden Energiepreisen und der Notwendigkeit, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Hutton bezeichnete die Atomkraft als Energiequelle, die sich als "sicher" bewährt habe und betonte, Sicherheit stehe an oberster Stelle. Die neuen Anlagen, auf deren Anzahl sich die Regierung nicht festlegte, sollen von Privatunternehmen gebaut werden und in zehn Jahren ans Netz gehen. Große Energiekonzerne wie die deutschen Unternehmen Eon und RWE sowie Areva, Alstom und EDF aus Frankreich haben bereits ihr Interesse an einer Beteiligung angemeldet.
Derzeit stammt rund ein Fünftel des britischen Stroms aus Atomkraft. In Großbritannien gab es aber immer wieder Störfälle in Atomanlagen. Zu den schwerwiegendsten Pannen kam es im nordwestenglischen Sellafield, wo in der Vergangenheit radioaktives Material in die Irische See floss und Strahlung die Umgebung verseuchte.
Greenpeace legt Beschwerde ein
Die Labour-Regierung hatte
bereits im Jahr 2006 grünes Licht für den Neubau von AKW gegeben. Die
Umweltschutzorganisation Greenpeace legte jedoch Beschwerde gegen das ihrer
Meinung nach fehlerhafte öffentliche Konsultationsverfahren ein, woraufhin
ein Gericht dessen Wiederholung anordnete. Greenpeace schloss weitere
juristische Maßnahmen nicht aus.
Greenpeace-Geschäftsführer John Sauven bezeichnete die von der Regierung angeführte Begründung für eine Rückkehr zu der umstrittenen Energiegewinnung als "Lüge". Von Ministerien selbst in Auftrag gegebene Untersuchungen hätten ergeben, dass der CO2-Ausstoß in Großbritannien durch zehn neue Reaktoren nur um etwa vier Prozent gesenkt werden könne, sagte Sauven. Und die sogenannte Versorgungslücke werde auftreten, lange bevor neue AKW fertiggestellt werden könnten.
Erneuerbare Energien
Die Grünen und die Liberaldemokraten
forderten eine Politik, die einen größeren Schwerpunkt auf erneuerbare
Energien wie Wasser- und Windkraft setzt. Grünen-Sprecherin Caroline Lukas
warf Premierminister Gordon Brown einen "erschütternden Mangel an
politischer Vision" vor. Sie verwies auf Deutschland, das 300 Mal so viel
Solarenergie und zehnmal so viel Windenergie wie Großbritannien produziere,
"weil die deutschen Politiker, angeführt von den Grünen, den politischen
Willen zu einer Vorreiterrolle hatten". Auf der Insel stammten
Regierungsangaben zufolge 2006 nur fünf Prozent des Stroms aus erneuerbaren
Energiequellen.