Das britische Parlament veröffentlichte 1,2 Millionen Seiten zur Spesenaffäre. Jetzt reichte auch Finanzstaatssekretärin Kitty Ussher ihren Rücktritt ein.
Nach einem beispiellosen Imageverlust der britischen Volksvertreter durch dubiose Spesenabrechnungen hat das Parlament nun einen Anlauf zu größerer Transparenz unternommen: Rund 1,2 Millionen Seiten zur Spesenaffäre wurden am Donnerstag im Internet veröffentlicht. Im Zusammenhang mit der Affäre reichte mit Finanzstaatssekretärin Kitty Ussher ein weiteres Regierungsmitglied ihren Rücktritt ein.
Vertrauen zurückgewinnen
Die Veröffentlichung der
Spesenabrechnungen aus den Rechnungsjahren 2004/2005 und 2007/2008 wurde zum
Teil als Initiative zur Zurückgewinnung des Vertrauens der Bevölkerung
begrüßt, zum Teil jedoch als unzureichend bewertet. Der Finanzsprecher der
oppositionellen Liberaldemokraten, Vince Cable, übte Kritik daran, dass
Namen und Adressen der Abgeordneten in den Dokumenten geschwärzt wurden.
Dadurch sei die Veröffentlichung "weniger gründlich als sie sein könnte",
sagte Cable.
Ohnehin war zunächst nicht klar, ob die kompromittierendsten Spesenabrechnungen nicht längst in der Öffentlichkeit bekannt waren. Die Zeitung "Daily Telegraph" hatte wochenlang Einzelheiten über die Finanzgebarung von Abgeordneten unterschiedlicher Parteien enthüllt. Die Parlamentarier ließen sich vom Steuerzahler unter anderem die Ausgaben für verschiedene Wohnsitze, ein Entenhäuschen oder für Poolreinigungen erstatten.
Ussher tritt zurück
Die Labour-Politikerin Ussher erklärte
in ihrem Rücktrittsschreiben, sie habe sich nichts zuschulden kommen lassen,
wolle aber Premierminister Gordon Brown und seiner Regierung keine Probleme
verursachen. Medienberichten zufolge ließ sich Ussher ihr Haus auf
Staatskosten im Umfang von 20.000 Euro renovieren. Brown nahm den Rücktritt
an. Wie sein Büro am Mittwochabend mitteilte, wird die bisherige
Staatssekretärin für das Schulwesen, Sarah McCarthy-Fry, Usshers
Nachfolgerin. Im Zuge des Spesenskandals waren zuvor bereits elf
Regierungsmitglieder zurückgetreten.
Am kommenden Wochenende wird der Rücktritt von Unterhauspräsident (Speaker) Michael Martin wirksam, dessen Nachfolger am Montag gewählt werden soll. Martin war angelastet worden, in der Spesenaffäre nicht beherzt genug einzuschreiten, um die Missstände zu unterbinden. Grundlage der nun erfolgten Veröffentlichung von Parlamentsdokumenten ist eine Entscheidung des Londoner High Courts aus dem vergangenen Jahr. Sie ging unter anderem auf Klagen von Journalisten und Steuerzahlern zurück.