EU-Kommission teilte neue Zuständigkeiten offiziell mit.
Brüssel/Wien. Johannes Hahn zieht Jobs mit viel Geld an: Der ehemalige Novomatic-Manager verwaltete bereits in seiner ersten Amtszeit in Brüssel als EU-Regionalkommissar rund ein Drittel des EU-Budgets, jetzt greift er als EU-Budgetkommissar und Nachfolger des Deutschen Günther Oettinger nach dem Ganzen. Hahn kommt eine zentrale Rolle im Ringen um die nächste EU-Finanzplanung bis 2027 und im Brexit zu.
Dabei wollte dem Vernehmen nach Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Posten des Migrations- und Innenkommissars für seine kolportierte Wunschkandidatin, Karoline Edtstadler. Dass Hahn für eine dritte Amtszeit nach Brüssel entsendet wurde, verdankte der 61-jährige ÖVP-Politiker dem breiten parteiübergreifenden Konsens zuhause, der nach Abwahl der Regierung Kurz für die Nominierung des EU-Kommissars erforderlich war.
Auch in Brüssel wird der EU-Budgetposten als Anerkennung seiner langjährigen Erfahrung gesehen, Hahn war zunächst von 2010 bis 2014 EU-Regionalkommissar und zuletzt für die Erweiterung und die Nachbarschaftspolitik zuständig. Der Österreicher kennt die Befindlichkeiten der EU-Staaten und der EU-Parlamentarier, er gilt als nüchterner Pragmatiker.
Überzeugungsarbeit gefordert
Dass die designierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Posten des EU-Budgetkommissars an einen Vertreter aus dem Klub der EU-Nettozahler vergibt, ist ein kluger Schachzug. Hahn wird die reicheren Nettozahler und insbesondere die österreichische Bundesregierung vom Mehrwert des EU-Budgets überzeugen müssen.
Bekanntlich sperrt sich Österreich neben Staaten wie Dänemark und die Niederlande gegen die Erhöhung seiner EU-Beiträge: Die EU-Kommission will eine Erhöhung auf 1,114 Prozent des Bruttonationaleinkommens gegenüber bisher 1,0 Prozent. In absoluten Zahlen gibt die EU-Kommission den Ausgabenrahmen mit 1.135 Mrd. Euro an Verpflichtungen und 1.105 Mrd. Euro an Mitteln für Zahlungen (jeweils zu Preisen von 2018) an. Auch Finanzminister Eduard Müller, Mitglied der aktuellen Experten-Regierung in Österreich, hat sich für eine Obergrenze beim EU-Budget von bisher 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgesprochen. "Eine kleinere EU muss mit einem kleineren Budget auskommen", sagte Müller.
Der EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 soll in den nächsten Monaten unter Dach und Fach gebracht werden. Ob sich das gesetzte Ziel vor Jahresende noch ausgeht, ist mehr als fraglich. Hahn wird aber bereits vom ersten Tag an gefordert sein. Mit dem sich abzeichnenden EU-Austritt Großbritanniens verliert die EU ihren zweitgrößten Nettozahler. Der britische Premier Boris Johnson hat mehrfach damit gedroht, die britischen Verpflichtungen gegenüber dem EU-Budget nicht weiter zu respektieren. Dieses Szenario wird umso wahrscheinlicher, wenn Großbritannien ohne Abkommen aus der EU ausscheidet.
Während der Posten des Migrationskommissars vielleicht am Höhepunkt der Flüchtlingskrise viel Öffentlichkeit bedeutete, war der amtierende EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos weitgehend glücklos in dieser Rolle. Zu zerstritten sind die EU-Staaten, die Reform der EU-Asylgesetzgebung stockt seit Jahren. Hahn selbst wünschte sich zuletzt ein Ressort, "in dem man sehr intensiv an der weiteren Entwicklung Europas arbeiten kann".
Nachdem sich Politik konkret in Budgets manifestiert, wird er zeigen müssen, wie er in Zeiten der EU-Skepsis und des Populismus die Regierungen vom Mehrwert der EU-Ausgaben überzeugt. Als Budgetkommissar ist Hahn auch Hauptverantwortlicher für die EU-Verwaltung. Für ein EU-Mitgliedsland ist das Wissen um die zahlreichen Budgetregelungen jedenfalls hilfreich, vor allem etwa wenn nach dem Ausscheiden Großbritanniens doch noch gewisse Rabatte erhalten bleiben, von denen auch Österreich derzeit profitiert. Auch die Frage einer stärkeren Eigenfinanzierung der EU - etwa über eine Plastiksteuer - und striktere Konditionen an die Rechtsstaatlichkeit fallen dann in die Zuständigkeit des Kommissars.
Hahn blieb als EU-Erweiterungskommissar eine spektakuläre Aufnahme von neuen EU-Mitgliedern verwehrt. Diese Einschränkung wurde bereits zu Beginn seiner Amtszeit vom scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker vorgegeben. Hahns Aufgabe bestand zu einem Großteil im Krisenmanagement, als Nachbarschaftskommissar in der Ukraine und als Erweiterungskommissar am Balkan etwa in den zuletzt wieder gewachsenen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo. In seine Amtszeit fällt als großer Erfolg die historische Lösung des Namensstreits zwischen Nordmazedonien und Griechenland, die den Weg für eine Aufnahme Skopjes in der EU freimachen soll.