Syriens kalte Schulter an Frankreich hat die innenpolitischen Auseinandersetzungen in Beirut verschärft. Die Hisbollah fordert einen Machtausgleich.
Syrien hat Frankreich die Zusammenarbeit in der Libanon-Krise aufgekündigt, die sich mittlerweile weiter zuspitzt. Außenminister Walid Muallem hat am Mittwoch die jüngsten Vorwürfe des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurückgewiesen, der Syrien und die libanesische Opposition für den Fehlschlag der internationalen Bemühungen um Beilegung des Konflikts verantwortlich gemacht hatte. "Wir haben die Äußerungen des französischen Präsidenten mit Erstaunen vernommen", sagte Muallem. Frankreich wisse nur zu genau, welche "Anstrengungen" Syrien unternommen habe. Ebenso wüssten die Franzosen, wie "flexibel" sich die Kräfte der libanesischen Opposition verhalten hätten, um eine Konsenslösung zu finden. Die Arabische Liga plant eine Schlichtungsmission und hat auf Antrag Ägyptens und Saudi-Arabiens eine Sondersitzung der Außenminister für kommenden Sonntag nach Kairo einberufen.
Doch keine Zusammenarbeit mit Frankreich
Noch am Dienstag hatte
die amtliche Nachrichtenagentur SANA gemeldet, Syrien wolle gemeinsam mit
Frankreich zur Beendigung der innenpolitischen Dauerkrise im Libanon
beitragen, wo die Wahl eines neuen Staatspräsidenten durch das Parlament
bereits elfmal verschoben worden ist. Muallem hatte am Montag zwei
Telefongespräche mit Elysée-Generalsekretär Claude Guéant geführt. Dabei sei
es um Möglichkeiten gegangen, den libanesischen Parteien bei der
Lösungsfindung "Hilfe" zu leisten, "um die Sicherheit und Stabilität des
Libanon zu sichern", hatte es in der Meldung geheißen. Sarkozy hatte am
Sonntag in Kairo erklärt, Frankreich, die ehemalige Mandatsmacht im Libanon,
werde mit Syrien keinen Kontakt mehr pflegen, "solange wir keine Beweise für
den Willen der Syrer haben, den Libanon einen Präsidenten des Konsenses
bestimmen zu lassen".
Syrische Ordnungsmacht im Zedern-Land
Syrien, das die Opposition
unterstützt, fungierte seit dem 15-jährigen Bürgerkrieg (1975-90) als
Ordnungsmacht im Libanon und zog seine Truppen erst 2005 nach der
sogenannten Zedernrevolution aus dem Nachbarland ab. Diese Volkserhebung
wurde durch den Mord an Ex-Premier Rafik Hariri ausgelöst, für den syrische
Geheimdienstkreise verantwortlich gemacht werden.
11-malige Verschiebung der Wahlen
Die Wahl des libanesischen
Präsidenten wurde zuletzt auf den 12. Jänner verschoben. Trotz einer
grundsätzlichen Übereinkunft zwischen Mehrheitsbündnis und Opposition, den
59-jährigen Armeechef General Michel Sleimane zum Nachfolger von Präsident
Émile Lahoud zu wählen, dessen Amtszeit im November endete, bestehen weiter
unüberbrückbare Differenzen zwischen den verfeindeten Lagern hinsichtlich
einer künftigen Machtteilung. Die Opposition besteht auf Verhandlungen über
einen "Machtausgleich" im Rahmen einer Allparteienregierung noch vor der
Präsidentenwahl. Die antisyrische Mehrheitskoalition lehnt dies ab und
plädiert für einen "Nationalen Dialog" unter Schirmherrschaft des neuen
Präsidenten nach dessen Wahl.
Drohungen der Hisbollah
Die schiitische Hisbollah hat zum
Jahreswechsel an das pro-westliche Lager die Aufforderung gerichtet, sich
zwischen einem "Machtausgleich" mit der Opposition oder dem "Abgrund" zu
entscheiden. Es gebe nur eine Alternative, nämlich "eine Verständigung auf
eine echte Machtteilung" oder den "Sturz in den Abgrund", erklärte der Chef
der Hisbollah-Fraktion im Parlament, Mohammed Raad. Ein Alleingang der
Mehrheit in der Präsidentenfrage käme einem "Selbstmord" gleich, warnte er.
Raad forderte eine Sperrminorität für die jetzige Opposition innerhalb der
künftigen Regierung. Der zur Mehrheitskoalition gehörende christliche
Ex-Präsident (1982-88) Amine Gemayel forderte unterdessen ein "neues
Taif-Abkommen", womit er die nach dem Bürgerkrieg neu gelegten Fundamente
des politischen Systems infrage stellte. Mit der in Taif in Saudi-Arabien
angenommenen "Charta der Nationalen Versöhnung" hatten die verfeindeten
politischen und religiösen Gruppen eine Verfassungsreform für den
Zedernstaat eingeleitet. "Taif" müsse im Sinne des "Endes der syrischen
Hegemonie weiterentwickelt" werden, sagte der Politiker der
rechtsgerichteten Falange-Partei (Kataeb).
Israels Streitkräfte stehen bereit
Die israelische Armee
wird nach den Worten von Verteidigungsminister Ehud Barak die Lehren aus dem
Bericht des außen- und verteidigungspolitischen Ausschusses des Parlaments
zum 34-tägigen Libanon-Krieg vom Sommer 2006 ziehen. "Die Streitkräfte haben
Maßnahmen ergriffen, um die notwendigen Lehren aus dem Bericht zu ziehen und
sicherzustellen, dass, sollte uns ein weiterer Waffengang aufgezwungen
werden, die Ergebnisse andere sein würden", erklärte Barak am Dienstag im
Fernsehen. Gleichzeitig betonte der ehemalige Generalstabschef und
Ex-Premier, dass die gesamte Verantwortung für den Krieg auf "politischer
Ebene" liege. Der Parlamentsausschuss hatte schwere Vorwürfe gegen die
militärische Führung erhoben. Die Regierung habe es verabsäumt, der Armee
eine klare Zielsetzung vorzugeben, hieß es in dem Bericht. Generalstabschef
Dan Halutz, der Kommandant des nördlichen Wehrbezirks, General Udi Adam, und
schließlich auch Verteidigungsminister Amir Peretz hatten nach dem
Waffengang ihre Ämter verloren. Die Hisbollah, die die israelische Offensive
mit der Gefangennahme von zwei israelischen Soldaten provoziert und 4000
Raketen auf Nordisrael abgefeuert hatte, ging aus dem Konflikt mit mehr als
1200 libanesischen und 160 israelischen Toten gestärkt hervor.