Reisebericht von Ernst-Dziedzic

Tragödie an der polnischen Grenze: "Leute frieren im Wald"

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Brisant: Bewaffnete Soldaten hätten sich fast beschossen, Menschen- und EU-Recht wird gebrochen. Ein Bericht aus Polen. 

Vor Ort. Für ihre Reise geht die grüne Sprecherin für Menschenrechte, die Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic, buchstäblich an die Grenze. Nachdem sie vergangenen Freitag in Warschau angekommen ist, fährt sie in das polnisch-weißrussische Grenzgebiet. Sie wird ­begleitet von einem jungen Syrer, dessen Mutter noch in den Wäldern bei der Grenze ist. Wird er sie je wiedersehen?
„Ich habe selbst unterschätzt, wie kalt es hier ist“, sagt Ernst-Dziedzic dem INSIDER. Im Telefonat erzählt sie: „Es befinden sich noch Hunderte Flüchtlinge in den Wäldern. Dort ist es aber nicht trocken. Das sind Sümpfe, wo die Leute einsinken. Eine Art Naturschutzgebiet. Die Leute hungern dort, haben keine Nahrung. Einige haben sich auf dem Weg verletzt, bekommen aber keine Hilfe. Polen lässt niemanden durch.“

Lukaschenko nutzt Flüchtlinge als "politische Waffe" gegen die EU

Ausnahmezustand. Es ist ein Flüchtlingsdrama, das sich an der EU-Grenze abspielt. Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko will wegen EU-Sanktionen so viele Flüchtlinge wie möglich illegal auf EU-Boden schleusen. So will er die Union zwingen, die Sanktionen gegen sein Regime aufzuheben. Österreichs Außenminister Michael Linhart (ÖVP) hat empört festgestellt: „Es kann nicht sein, dass man Mi­gration als Waffe gegen die EU verwendet und dabei völlig ­unmenschlich vorgeht.“ Das passiert aber. Polen hat den Ausnahmezustand ausgerufen und mittlerweile hat das polnische Parlament für die Legalisierung von Pushbacks gestimmt.


Ernst-Dziedzic sagt: „Polen bricht internationales Recht, hält sich nicht an die Genfer Flüchtlingskonvention. Die Welt muss sehen, was passiert. Deshalb bin ich hier!“
Zutritt verwehrt. Doch niemand kann genau sehen, was passiert. Längst hat Polen hohe Stacheldrahtzäune an der Grenze aufgezogen, lässt keine Helfer zu den Menschen in den Wäldern. Es heißt, Soldaten würden alle Flüchtlinge zurückweisen, Asylanträge würden ignoriert. Vor kurzem kam es fast zum Gefecht. Weißrussische Soldaten lei­teten eine Gruppe von 250 Flüchtlingen nahe an die Grenze. Dort trafen sie auf polnische Soldaten. Fast hätten sie aufeinander geschossen.

»Das ist wie in Moria, die Leute brauchen dringend Hilfe«

Drama. Auch Ernst-Dziedzic wird der Zutritt in die Wälder zu den Flüchtlingen vorerst verwehrt. Doch was sie erfährt, schockiert sie tief: „Das ist wie in Moria, die Leute brauchen dringend Hilfe.“
Polens Premier Mateusz Morawiecki gibt sich eisenhart, will niemanden aufnehmen. Auch wenn er gegen EU- und internationales Recht verstößt. Abhalten kann er nicht alle. Allein im Oktober kamen 5.285 Flüchtlinge nach Deutschland, die zuvor die Grenze zu Polen überwunden hatten.
 

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