Äthiopien

Völkermord: Mengistu verurteilt

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Äthiopiens Ex-Dikator war für den Tod tausender Menschen verantwortlich. Ihm droht die Todesstrafe.

Der frühere äthiopische Diktator Mengistu Haile Mariam (69) ist am Dienstag von einem Gericht in Addis Abeba des Völkermordes schuldig gesprochen worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mengistu und weitere Mitglieder der früheren Regierung für den Tod tausender Menschen während seiner 17-jährigen Herrschaft verantwortlich waren. Das Strafmaß soll am 28. Dezember verkündet werden. Für Völkermord kann die Todesstrafe verhängt werden. Der Prozess dauerte mehr als zwölf Jahre und wurde in Abwesenheit Mengistus geführt.

Exil in Simbabwe
Der ehemalige Diktator floh 1991 vor den heranrückenden Rebellen unter Führung des heutigen Ministerpräsidenten Meles Zenawi ins Ausland und lebt seitdem in Simbabwe, wo Präsident Robert Mugabe schützend seine Hand über ihn hält. Auslieferungsanträge der äthiopischen Regierung verhallten wirkungslos. Enge Vertraute Mengistus wie der frühere Ministerpräsident Fikre Selassi Wogderesse und Ex-Vizepräsident Fissiha Desta sitzen seit 1992 im Gefängnis.

Angeklagt waren 73 Angehörige des Regimes, etwa die Hälfte davon erschien am Dienstag im Gerichtssaal. Einer wurde für unschuldig erklärt. 14 starben in den zwölf Prozessjahren, etwa 25 befinden sich im Ausland im Exil. Von den drei Richtern stimmten zwei für eine Verurteilung wegen Völkermords. Einer vertrat die Ansicht, die Verbrechen der Angeklagten erfüllten diesen Tatbestand nicht.

Mengistu gehörte Anfang der 70er Jahre zu den jungen Offizieren der kaiserlichen Armee, die sich auflehnten und Haile Selassie 1974 stürzten. Sie bildeten einen Provisorischen Militärverwaltungsrat (Derg), der in Äthiopien ein sozialistisch orientiertes System schaffen wollte.

Skrupelloses Vorgehen
Mengistu spielte im Derg von Anfang an als Vizepräsident eine entscheidende Rolle. In den folgenden Jahren schaffte er es, seine Rivalen in dem Gremium auszuschalten und im Februar 1977 selbst den Vorsitz des Derg zu übernehmen. Der nicht einmal 1,70 Meter große Mengistu ging dabei ohne Skrupel vor: Seine beiden Vorgänger an der Spitze des Derg wurden 1974 und 1977 kurzerhand erschossen und mit ihnen jeweils eine ganze Reihe ihrer Anhänger sowie andere tatsächliche und vermeintliche Gegner Mengistus.

Mit voller Machtfülle ausgestattet begann er umgehend eine Terrorkampagne gegen oppositionelle und linke Bewegungen wie die Äthiopische Revolutionäre Volkspartei, aber auch gegen die Kirche. Allein in der Hauptstadt Addis Abeba sollen 5.000 Menschen dem "roten Terror" zum Opfer gefallen sein. Viele Professoren und Studenten der Universität von Addis Abeba waren darunter. Zahlreiche linke Intellektuelle verließen das Land.

Bürgerkrieg und Misswirtschaft
Im Ausland fand Mengistu Unterstützung bei der Sowjetunion und anderen Ländern des Ostblocks. Mit massiver militärischer Hilfe der Sowjetunion und Kubas eroberte Äthiopien 1978 das ein Jahr zuvor von Somalia besetzte Ogaden-Gebiet zurück und hielt in den folgenden Jahren die Befreiungsbewegungen in den Provinzen Eritrea und Tigray in Schach. Der Bürgerkrieg und die von Mengistu betriebene Misswirtschaft verhinderten, dass Äthiopien in den 80er Jahren seine schweren ökonomischen Probleme lösen konnte. Hungersnöte wurden als Vorwand für Zwangskollektivierungen und -umsiedlungen der Bauern genutzt.

Zur Sicherung seiner Macht baute Mengistu ein umfassendes Sicherheitssystem aus Polizei und Geheimdiensten auf. Die Armee des bitterarmen Landes gehörte zu den größten Afrikas. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus verlor Mengistu auch seinen wichtigsten Rückhalt. Die Sowjetunion stellte ihre Militärhilfe nach und nach ein. Zuletzt hielt DDR-Staatschef Erich Honecker noch zu Mengistu und versprach ihm 1989 die Lieferung von Dutzenden Panzern. Der Sturz Honeckers im selben Jahr verhinderte dies jedoch. Anderthalb Jahre später waren die eritreischen und tigreischen Rebellen bis vor die Tore der Hauptstadt gerückt. Im Mai 1991 floh Mengistu nach Simbabwe, wo er eine Farm besitzt.

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