"Ausgangssperren und Tote""

Wie unser Europa gegen das Virus kämpft

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Das Coronavirus hat ganz Europa im Griff.  Die italienische Regierung prüft die Möglichkeit, die bis zum 3. April verhängte Ausgangssperre zu verlängern.

Italien. "Wir werden aufgrund der Zahl der Neu-Infektionen in den nächsten Tagen Beschlüsse ergreifen. Ich schließe eine Verlängerung der Maßnahmen nicht aus", sagte Verkehrs- und Infrastrukturministerin, Paola De Micheli, im Interview mit dem TV-Sender RAI 3.

De Micheli versicherte, dass es keine Engpässe bei den Warenlieferungen gebe. Dies sei der "außerordentlichen Arbeit" der Mitarbeiter im Transport- und Logistikbereich zu verdanken. "Wir haben die EU-Länder überzeugt, freien Zugang zu unseren Waren zu geben. Sie vertrauen der Gründlichkeit unserer Kontrollen", sagte die Ministerin.

Die italienische Regierung wiederholt ihren Appell an die Italiener, zu Hause zu bleiben. Am Dienstag wurden 2.503 Todesfälle gemeldet, das sind 345 mehr als am Montag. Die Zahl der Infizierten stieg um 2.989 Personen auf 26.062.

Slowenien

Unser südlicher Nachbar setzt auch auf drastische Maßnahmen. Auch in Slowenien stellen immer mehr Großunternehmen wegen der Corona-Pandemie ihre Produktion vorläufig ein. Eine Zwangspause legten ähnlich wie die Magna-Lackiererei auch das Renault-Werk Revoz und der Hersteller von Freizeitfahrzeugen Adria Mobil ein. Unterdessen schrauben die Zulieferer für die Autoindustrie, wie Hidria und Kolektor, vorerst ihre Produktion nur zurück. Laut Medien sind auch andere Branchen betroffen. Einen vorläufigen Produktionsstopp gibt es unter anderem bei der Tochter des Haushaltsgerätekonzern BSH, beim Sportartikelhersteller Elan und beim Schuhhersteller Alpina.

Andere Unternehmen, die ihren Betrieb nicht eingestellt haben, führten Präventiv- und Schutzmaßnahmen ein, Büromitarbeiter wurden überwiegend in Homeoffice verlegt. Beim Haushaltsgerätehersteller Gorenje, der dem chinesischen Konzern Hisense gehört, gelten laut Medien ähnlich wie bei allen europäischen Werken des Konzerns verschärfte Schutzmaßnahmen. Bei den Beschäftigten, die Schutzmasken tragen müssen, wird die Körpertemperatur gemessen, wozu auch Wärmebildkameras eingesetzt werden. Auch Gorenje soll den Produktionsumfang zurückschrauben.

Die Produktion in den beiden größten Pharmaunternehmen, Krka und Lek, wird unterdessen fortgesetzt. Bei Lek, das zu Novartis gehört, wurden die Mitarbeiter, mit Ausnahme von jenen, die in Labor und Produktion arbeiten, ins Homeoffice geschickt.

Unterdessen bereitet man sich bei Boxmark Leather, dem slowenischen Standort des steirischen Lederbezügeherstellers Boxmark, auf die Produktion von Schutzmasken vor, die in der Corona-Pandemie dringend gebraucht werden. Die Masken sollen laut Medien nur für den Bedarf des slowenischen Staats, nicht für den Markt hergestellt werden. Anfang des Jahres kündigte das Unternehmen eine massive Umstrukturierung an, die 900 von seinen 1.450 Beschäftigte betreffen soll. Bisher wurden rund 200 Mitarbeiter gekündigt, bis Ende April sollen fast 300 Jobs abgebaut werden. Die Corona-Epidemie trifft auch die Tourismusbranche hart. Seit Montag sind in Slowenien alle Freizeiteinrichtungen, darunter Hotels, Restaurants, Wellnessbetriebe, Thermalbäder, Casinos und Glücksspielsalons bis auf Weiteres geschlossen.

Kroatien

Slowenische Unternehmen an der Grenze zu Kroatien kämpfen indes wegen kroatischer Grenzmaßnahmen mit Personalmangel. Sie beschäftigen viele Pendler aus Kroatien, die nun nicht mehr zur Arbeit können, weil Kroatien allen, die aus slowenischen Grenzregionen Bela Krajina und Dolenjska einreisen, eine zweiwöchige Selbstisolierung vorschreibt. Die Kroaten müssen sich so entscheiden, entweder in Slowenien zu bleiben oder vorübergehend nicht zu arbeiten.

Deutschland

Deutschland entschied sich auch für drastische Maßnahmen. Wegen des Coronavirus schloss Deutschland ab Montagmorgen weitgehend seine Grenzen zu Frankreich, Österreich und zur Schweiz. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Saarlands Regierungschef Tobias Hans (CDU) und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verständigte sich darauf.

Wie unser Europa gegen das Virus kämpft
© APA/AFP/Tobias SCHWARZ
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Währenddessen rief der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn alle Bürger, angesichts der massiven Einschränkungen im Alltagsleben zur Soladirität auf.

"Wir leben in einem sehr starken Land. Wir werden diese Situation bewältigen, wenn wir besonnen bleiben und aufeinander Acht geben“, so Spahn. Eine weitere schnelle Ausbreitung des Virus in Deutschland kann nur verhindert werden, wenn soziale Kontakte so weit wie möglich eingeschränkt werden.

Ein wichtiger Beschluss der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder war, dass sich die Krankenhäuser in Deutschland auf den erwartbar steigenden Bedarf an Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Behandlung von schweren Atemwegserkrankungen durch  COVID-19 konzentrieren. Dafür sollten vor allem zusätzliches Personal angestellt werden, um den Kampf gegen das Coronavirus am Ende gewinnen zu können.

England

Premierminister Johnson fand drastische Worte und bereitete die Bürger auf tragische Zeiten vor. "Viele unserer Liebsten werden sterben", sagte Boris Johnson zur "schlimmsten Gesundheitskrise in einer Generation". 71  Menschen sind auf der Insel am Virus gestorben. Bürger mit erhöhter Temperatur und Husten sollten von sich aus in Quarantäne gehen. Forscher gehen davon aus, dass es bis zu 10.000 Infizierte in Großbritannien gibt. Starke Kritik gibt es am Krisenmanagement der Regierung.

Boris Johnson
© APA/AFP/POOL/SIMON DAWSON
× Boris Johnson

Johnson fordert seine Bürger dazu auf, Abstand zu halten und rät vor allem davon ab, Pubs, Bars und Restaurants zu meiden. Soziale Kontakte sollte man auf ein Minimum begrenzen. Falls es machbar ist, empfahl der Premierminister die Arbeit von zu Hause. Es handle sich um eine "nachdrückliche Empfehlung".

Portugal

Auch Portugal schließt wegen der Ausbreitung des Coronavirus alle seine Schulen. Die Osterferien werden verlängert. Im Moment hat das Land 448 infizierte Personen.

Spanien

Die Corona-Krise hat auch im spanischen Parlament zu einem ungewohnten Szenario geführt: Ministerpräsident Pedro Sanchez sprach am Mittwoch vor einem fast leeren Plenum, nur eine Handvoll Abgeordnete aller Parteien hatte sich im Madrider Congreso de los Diputados versammelt. Dabei stellte der Sozialdemokrat unter anderem die am Dienstag vom Ministerrat verabschiedeten Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft und der Arbeitnehmer vor: Die Regierung will eine Rekordsumme von 200 Milliarden Euro mobilisieren, etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

"Wir stehen vor einer beispiellosen Herausforderung", sagte Sanchez und fügte hinzu: "Das Schlimmste steht uns erst noch bevor". Die oppositionelle, konservative Volkspartei (Partido Popular/PP) - die sonst stets auf Konfrontationskurs mit den regierenden Sozialisten von Sanchez ist - sagte ihm ihre volle Unterstützung zu. "Senor Sanchez, Sie sind nicht allein im Kampf gegen die Krise", betonte PP-Chef Pablo Casado. Zwischendurch wurden immer wieder das Rednerpult und die Mikrofone desinfiziert.

Spanien ist eines der am schlimmsten betroffenen Länder, seit dem Wochenende herrscht Ausgangssperre. Am heutigen Abend will sich König Felipe VI. in einer Fernsehansprache an die Nation wenden. Im Moment hat Spanien 13.716 angesteckte Personen und 558 Tote.

Juan Carlos Felipe
© Getty Images
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Frankreich

Angesichts eines Rekordtiefs bei der Beteiligung an der Kommunalwahl inmitten der Coronakrise wird in Frankreich die Verschiebung der zweiten Runde immer wahrscheinlicher. Die erste Runde war am Sonntag von der Covid-19-Pandemie überschattet. Medienberichten nach will Frankreichs Regierungschef Édouard Philippe den Wahltermin nun um mehrere Monate verschieben. Zahlreiche Oppositionspolitiker hatten dies zuvor gefordert. Bei der Kommunalwahl wird über die Machtverhältnisse in den Kommunalparlamenten abgestimmt. Dass die Regierung trotz der Ausbreitung des Coronavirus am Termin für die erste Runde festhielt, stieß auf massive Kritik. In allen Gemeinden, in denen keine absolute Mehrheit erreicht wurde, soll es am kommenden Sonntag einen zweiten Wahlgang geben.

Macron
© APA/AFP/POOL/HECTOR RETAMAL
× Macron


Seit Sonntag steht das öffentliche Leben in Frankreich wegen des Coronavirus weitgehend still - trotzdem waren knapp 48 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Viele hatten befürchtet, dass das Ergebnis wegen geringer Wahlbeteiligung nicht repräsentativ sein könnte. Die Zahlen der Infektionen waren in Frankreich am Sonntag erneut massiv gestiegen.







 
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