Laut Gerichtsurteil darf neuerdings die Staatsbürgerschaft beantragen, wer italienische Vorfahren hat
12.000 brasilianische, argentinische und venezolanische Staatsbürger fordern die italienische Staatsbürgerschaft und sorgen für Chaos in Venetien. Allein im vergangenen Jahr gingen in Italien 12.632 Einbürgerungsgesuche von brasilianischen, argentinischen, venezolanischen und anderen südamerikanischen Staatsangehörigen ein, erklärte dieser Tage der Präsident des Berufungsgerichts von Venedig, Carlo Citterio. Das sind mehr als tausend pro Monat.
Der Grund für den Ansturm liegt in einem Urteil des Verfassungsgerichts in Rom, das vor zwei Jahren die Einbürgerung von italienischstämmigen Ausländern deutlich erleichtert hatte. Vor allem die Region Venetien, aus der im 19. und 20. Jahrhundert eine hohe Zahl von Menschen in Richtung Südamerika ausgewandert war, verzeichnete besonders viele Ansuchen für die italienische Staatsbürgerschaft. Ganze Familien mit bis zu 15 Personen würden inzwischen die italienische Staatsbürgerschaft beantragen. Mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft sei das Wahlrecht verbunden, dies könnte Folgen haben, warnte Citterio.
Diese Anträge würden inzwischen mehr als zwei Drittel aller Fälle ausmachen, über die das Berufungsgericht zu entscheiden hat. Dies wirke sich negativ auf die Dauer aller übrigen Verfahren aus, klagte Citterio.
Die Zuständigkeit bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft, die früher beim Gericht in Rom lag, wurde auf verschiedene lokale Ämter verlagert, weshalb die Gemeinden in Venetien besonders stark belastet sind. Vor allem kleine Kommunen sind mit dem Ansturm völlig überfordert. Die Gemeinde Val di Zoldo bei Belluno mit ihren 2.745 Einwohnern ist mit 551 Brasilianern konfrontiert, die nun ins kommunale Melderegister aufgenommen werden müssen. Geschätzt wird, dass weltweit 60 bis 80 Millionen italienischstämmige Menschen leben. Das sind mehr als die 59 Millionen Einwohner, die Italien zählt.
"Die Anerkennung der Staatsbürgerschaft erfolgte de facto automatisch, auch für Personen mit sehr weit entfernten familiären Bindungen und ohne Kontakt zu Italien. Wir müssen die Zweckmäßigkeit einer möglichen, rechtzeitigen und klugen Überarbeitung dieser Regelung prüfen", sagte Carlo Citterio gegenüber der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera".
Der italienische Reisepass ist der stärkste der Welt - zusammen mit jenen von fünf anderen Ländern - und ermöglicht den Zugang zu einer Rekordzahl von 194 der 227 Staaten rund um den Globus. Zusammen mit Frankreich, Deutschland, Spanien, Singapur und Japan belegt der italienische Pass sogar den ersten Platz im jüngsten "Henley Passport Index", der die Pässe nach der Anzahl der Staaten einstuft, zu denen ihre Inhaber visumsfreien Zugang genießen können.