Geld

100.000 Arbeitslose mehr

Teilen

IHS-Chef Felderer sieht noch lange keine Erholung. Das Staatsminus findet er langsam "ziemlich beängstigend".

HS-Chef Bernhard Felderer glaubt, dass die Wirtschaftskrise noch lange nicht ausgestanden ist. "Wir sind noch weit von einem Aufschung entfernt", zeigte sich Felderer in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag überzeugt. Die Arbeitslosenzahl werde bis Ende 2010 voraussichtlich um 100.000 steigen und die Entwicklung der Neuverschuldung sei "ziemlich beängstigend", sagte Felderer. Bei der Bekämpfung des Budgetdefizits müsse die Reduzierung der Staatsausgaben Priorität vor neuen Steuern haben. Für die Banken seien höhere Eigenkapital-Anteile notwendig und es dürfe ihnen nicht mehr möglich sein, ihre Risiken aus den Bilanzen auszulagern, verlangte der IHS-Chef.

Krise hat viel zerstört
"Wir sehen eine Bodensuche beziehungsweise schon eine Bodenfindung, sind aber noch weit von einem Aufschwung entfernt." Die Wirtschaftskrise werde weit ins Jahr 2010 und möglicherweise auch 2011 hineinreichen, sagte Felderer. Einige der damit verbundenen negativen Erscheinungen würden noch weiterlaufen, nachdem der Boden bereits erreicht sei - die Arbeitslosigkeit werde weiter steigen und die Staatseinnahmen weiter sinken, "weil die Krise zu viel zerstört hat", etwa in der Finanzwirtschaft, wo man mehr Eigenkapital brauche, ebenso in der Realwirtschaft.

100.000 Arbeitslose mehr
"Bei der Arbeitslosigkeit sind wir am Anfang der Entwicklung", lautet die düstere Prognose des IHS-Chefs. Die Arbeitslosigkeit reagiere mit einem zeitlichen Abstand von mindestens sechs Monaten auf das eigentliche Ereignis. Derzeit gibt es in Österreich rund 250.000 Arbeitslose. "Wir nehmen an, dass wir heuer im Jahresdurchschnitt um 60.000 zulegen werden und nächstes Jahr noch einmal 40.000 - also gut 100.000 mehr im Jahresdurchschnitt Ende 2010."

Kurzarbeit kommt Staat teuer
Jungen Leute empfiehlt der Ökonom, sich bei ihrer Ausbildung vor allem auf technische Berufe zu konzentrieren. "Ich glaube, dass unsere Wirtschaft nichts mehr brauch als gute Techniker". Kurzarbeit hält er für ein nur begrenzt taugliches Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Eine Verlängerung der Kurzarbeit sei natürlich eine Option, aber "man kann es nicht permanent machen", denn die Kosten für den Staat und für die Unternehmen seien sehr hoch. Auch Frühpensionierungen seien keine Lösung. "Unser Pensionssystem ist ohnehin in einem ständigen Krankheitszustand."

Einzigartig in der Nachkriegszeit
Der Wirtschaftsforscher räumte ein, dass längerfristige Konjunkturprognosen unsicher seien. Für drei bis sechs Monate könne man recht gute Prognosen machen auf Grund der Frühindikatoren, bei Prognosen für eineinhalb Jahre sei dies schon sehr viel schwieriger und man beziehe sich dabei auf frühere Erfahrungen. Allerdings sei die jetzige Situation neuartig, "wir haben kein solches Ereignis gehabt in der Nachkriegszeit", daher habe man auch kein gutes Modell dafür. Ob man da die Prognosen nicht lieber einstellen sollte? "Wir hätten es ja gerne gemacht, aber wir haben eine Verpflichtung gegenüber dem Finanzministerium, die Prognosen zu machen." Versuche zur Einflussnahme auf die IHS-Prognosen habe es seit Jahren nicht mehr gegeben.

80% Minus im Jahr 2013
Für "ziemlich beängstigend" hält Felderer die Entwicklung des Budgetdefizits. Er verwies darauf, dass das Defizit von 58,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2008 auf rund 80 Prozent bis 2013 ansteigen werde. Dass sich Österreich damit "in guter Gesellschaft" mit anderen europäischen Ländern befinde, sei dabei "kein Trost": Man müsse die jährlichen Zinsen bedenken, 2008 habe Österreich für die Schulden 7,5 Mrd. Euro an Zinsen bezahlt, dieser Betrag werde auf über zehn Mrd. steigen. Das sei eine "sehr bedenkliche Entwicklung". Deshalb werde man relativ schnell die Schulden zurückzahlen müssen. Der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses hofft, dass man in fünf bis zehn Jahren wieder auf einen Wert unter 60 Prozent kommen wird.

In der Verwaltung sparen
Von der Regierung erwartet Felderer, dass sie nach Ende der Krise einen Sanierungsplan vorlegt und damit nicht bis 2013 wartet. Dabei plädiert der IHS-Chef für eine Senkung der Staatsausgaben und lehnt höhere Steuern ab. Stärker in Angriff nehmen müsse man Projekte wie die Verwaltungsreform. Ob man allerdings die Länder dafür gewinnen können werde, darüber traut sich Felder kein Urteil zu. Die Große Koalition sei aber die geeignetste Regierungsform für ein solches Vorhaben. Erst wenn die ausgabenseitige Sanierung nicht reichen sollte, dürfe man über neue Einnahmen reden. Neue Steuern wären zwar relativ leicht eingeführt, aber nur sehr schwer wieder wegzubekommen.

Für Vermögenssteuern sieht Felderer nur wenig Spielraum. "Am wenigsten Schaden verursachen" würde dabei noch die Grundsteuer, dabei seien aber Einnahmen von nicht einmal einer Milliarde zu erwarten, im Vergleich zum gesamten Sanierungsbedarf relativ wenig. Ein "heikles Thema" wäre eine Kürzungen von Sozialausgaben. Es gebe aber Bereiche, wo man darüber diskutieren könne, etwa bei der Bausparförderung.

USA mehr Inflation als hier
Eine besondere Inflationsgefahr sieht Felderer nicht. Man rechne bestenfalls mit einer erhöhten Inflation von drei bis vier Prozent, die aber nach ein, zwei Jahren wieder zurückgehen werde. Die EZB sei so unabhängig, dass sie damit gut umgehen könne. Im Gegensatz dazu sei die US-Zentralbank deutlich stärker abhängig von politischen Entscheidungen. "Wir glauben, dass in Amerika die Inflation länger und höher sein wird als bei uns."

Mit dem Rücken zu Wand
Eine Stärkung der Konsumnachfrage durch höhere Gehälter ist für Felderer kein Allheilmittel. "Die Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand und haben nicht viel Luft zum Atmen." Außerdem sei das eigentliche Problem der stark exportorientierten österreichischen Wirtschaft der Rückgang der Nachfrage im Ausland, "das wird woanders entschieden".

Keine Risiken vertuschen
Für die Banken wünscht sich Felderer künftig strengere Vorschriften. "Wenn wir eine gute Finanzmarktaufsicht gehabt hätten, auch in Amerika, dann wäre das alles nicht passiert." Den Banken dürfe es künftig nicht mehr möglich sein, ihre Risiken so auszugliedern, dass sie nicht mehr sichtbar seien. Außerdem müssten die Eigenkapitalanteile erhöht werden. Auch maroden Firmen über die Krise hinwegzuhelfen wäre laut Felderer der falsche Weg, weil sonst die Steigerung der Produktivität, die durch die Krise bewirkt wird, unterbunden werde. "Die Krise soll reinigend wirken."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.