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So werden wir im Job bespitzelt

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Die dubiose Mitarbeiterüberwachung bei den ÖBB ist kein Einzelfall. Laut Datenschutz-Experte Zeger wird jeder 10. Arbeitnehmer bespitzelt.

Extreme Mitarbeiter-Überwachung bei der Welser Firma Tiger Lacke und nun die Krankendaten-Affäre bei den ÖBB – zwei aktuelle Fälle, bei denen Unternehmen ihre Angestellten gesetzeswidrig bespitzeln. Doch wie ÖSTERREICH-Recherchen zeigen, sind solche verbotenen Kontrollen viel weiter verbreitet, als bisher angenommen.

Der „gläserne“ Arbeiter: Mail- und Videokontrollen
Der Datenschutz-Experte Hans G. Zeger ist überzeugt: „Jeder zehnte unselbstständige Arbeitnehmer ist Opfer einer Überwachung, die nicht zulässig ist. Das reicht von Verarbeitung von Mitarbeiterdaten über die Erstellung einer Krankenakte bis hin zur Videoüberwachung im Arbeitsgebäude.“ Konkret: Rund 500.000 Österreicher werden am Arbeitsplatz – egal ob Büro, Lagerhalle oder an der Supermarkt-Theke – vom Arbeitgeber bespitzelt.

So wird jede private E-Mail, jedes Telefongespräch und sogar die längere Rauchpause auf der Terrasse zum möglichen Kontrollziel und Kündigungsgrund. Und: Durch den technischen Fortschritt sind der Überwachung kaum mehr Grenzen gesetzt. Zeger: „Wir sind immer wieder erstaunt, wie oft die Bestimmung des Arbeitsverfassungsgesetzes ignoriert wird. Wir haben regelmäßige Anfragen von Unternehmen zur Videoüberwachung auf Gängen, bei Eingangsbereichen oder beim Arbeitsplatz. Auch viele beunruhigte Arbeitnehmer melden sich.“

Daten in 1/3 der Firmen unzulässig verwendet
Der renommierte Grazer Universitätsprofessor und Buchautor Günther Löschnigg bestätigt: „Ich vermute, dass bei einem Drittel der Unternehmen Daten erhoben und gesetzeswidrig verarbeitet werden.“ Er berichtet sogar von einem Fall, bei dem der Abteilungsleiter eines großen Unternehmens unzulässig eine Videokamera vorm Büro installiert hat.

Erschreckend: Die Aufzeichnung von Krankendiagnose-Daten wie bei den ÖBB ist kein Einzelfall. „40 % der größeren Unternehmen erstellen Krankenakten. Eigentlich darf laut Gesetz nur die Art der Verhinderung bekannt gegeben werden. Aber es ist in Österreich oft üblich, dass auch die Diagnose erfasst und aufgezeichnet wird.“

Trend: Gespräche nach der Krankenstands-Rückkehr
Und immer häufiger müssen Arbeitnehmer nach dem Krankenstand zum Gespräch beim Vorgesetzten. Eva Angerler von der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA): „In letzter Zeit hat es immer öfter solche Fälle gegeben. Und alles deutet darauf hin, dass solche Gespräche nicht zulässig sind, vor allem, wenn Druck ausgeübt wird.“

Gespitzelt wird von PC bis zum Klo

  1. E-Mail-Kontrolle. Via Filter werden E-Mails nach Codewörtern (Krankenstand, etc.) untersucht.
  2. Verteilerlisten. Ohne Wissen der Mitarbeiter gehen E-Mails mittels Verteilerlisten automatisch an die Geschäftsführung.
  3. Telefon-Abhörung. Gespräche von Mitarbeitern mit dem Festnetz-Apparat werden aufgezeichnet und ausgewertet.
  4. Mitarbeiterkarten. Zugangskarten erlauben eine fast lückenlose Kontrolle, wie oft jemand Pause macht, zum Tratschen unterwegs ist ...
  5. Kontrolle der Pausen. Wie lange war jemand am Klo oder Mittagessen? Türkontrollen machen den Mitarbeiter gläsern.
  6. PC. Alles kann überwacht werden – sogar Tastatur-Anschlag. Protokolliert wird automatisch.
  7. Videokameras. Überwachung mittels Videokameras – sogar einzelner Arbeitsplätze.
  8. Krankenakte. Aufzeichnung aller Krankendaten inklusive Arztdiagnose.
  9. Rückkehrgespräche. Nach Ende des Krankenstands lädt ein Vorgesetzter oder Betriebsarzt zum Gespräch. Unangenehm.
  10. Toiletten. Schwangere gehen häufiger auf’s WC, das prüfen einige Firmen.

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