Rudolf August Oetker ist im Alter von 90 Jahren in Hamburg gestorben. Oetker schuf als Backpulver-Hersteller ein Familienimperium.
Mit Rudolf August Oetker ist einer der letzten Firmenpatriarchen der deutschen Nachkriegszeit gestorben. Dem gebürtigen Bielefelder gelang es, aus der Backpulverfabrik seines Großvaters ein großes deutsches Familienunternehmen mit weltweiten Vernetzungen zu schmieden. Dabei hielt sich der Begründer der Erfolgsmarke "Dr. Oetker" stets im Hintergrund - obwohl seine Produkte seit Jahrzehnten in deutschen Küchen einen Stammplatz haben und noch heute fast jedes Kind den Markennamen kennt. Am 20. September vergangenen Jahres hatte Oetker, dem Fleiß, Wagemut sowie westfälische Sparsamkeit und ein unternehmerischer "Riecher" nachgesagt wurden, seinen 90. Geburtstag gefeiert. Am Dienstag starb er in Hamburg.
Eigenhändig in Büros Licht ausgemacht
Mit 25 Jahren
stieg der gelernte Bankkaufmann Rudolf August Oetker 1941 in die
Familienfirma ein, die damals sein Stiefvater Richard Kaselowsky führte. Als
dieser 1944 bei einem Bombenangriff ums Leben kam, nahm der nun 28-Jährige
selbst auf dem Chefsessel Platz. Schon kurz nach Kriegsende begann er mit
dem Wiederaufbau des Unternehmens, dem er neue Märkte erschloss. Dabei
erwarb er sich einen Ruf als Pfennigfuchser, der abends in den Büros
eigenhändig das Licht ausschaltete.
Backpulver und Pudding
In der Folgezeit gingen vor allem Oetkers
Werbestrategien auf: Im Fernsehen legte "Frau Renate" in den so
genannten Wirtschaftswunderjahren deutschen Hausfrauen Dr.-Oetker-Produkte
wie Backpulver und Pudding ans Herz. In den 60er Jahren machte Marie-Luise
Haase die Dr.-Oetker-Versuchsküche in TV-Werbespots bekannt. Zugleich hatte
der rührige Unternehmer einen Riecher für Trends. Als die Tiefkühltruhen in
den Haushalten Einzug hielten, erweiterte er das Sortiment um Eiscreme und
brachte 1970 die erste Tiefkühlpizza auf den deutschen Markt.
Dabei handelte er gemäß seinem unternehmerischen Motto "Lege nie alle Eier in einen Korb!" Denn zeitlebens achtete Rudolf August Oetker darauf, nicht alles auf die Karte Backpulver/Pudding zu setzen. So investierte er Gewinne auch in Bierbrauereien, Sektkellereien sowie in Frachtschiffe und kaufte eine Bank und eine Versicherung. Die heutige Oetker-Gruppe nahm Gestalt an.
Einer der reichsten Männer Deutschlands
1981 zog sich der
Unternehmer, der zu den reichsten Männern Deutschlands gehörte, stärker ins
Privatleben zurück und übergab die Zügel an seinen ältesten Sohn August.
Heute beschäftigt die Firmengruppe weltweit mehr als 22.000 Menschen und
erzielt einen Jahresumsatz von rund sieben Milliarden Euro. Bis zuletzt war
Rudolf August Oetker der Firma als Beiratsvorsitzender verbunden - von den
Mitarbeitern wurde er fast liebevoll "RAO" genannt.
Privat durchlebte der achtfache Familienvater im Dezember 1976 seine vermutlich schwärzesten Stunden, als sein damals 25 Jahre alter Sohn Richard entführt wurde. Erst gegen ein Lösegeld von umgerechnet gut zehn Millionen Euro kam er frei. Der leidenschaftliche Pfeifenraucher Rudolf August Oetker war auch als Kunstsammler und Mäzen aktiv - er widmete sich sozialen Anliegen und besonders der Kunst.
Ehrenbürger der Stadt Bielefeld
Die Stadt Bielefeld machte
ihren berühmten Unternehmersohn zum Ehrenbürger. Konflikte scheute dieser
trotzdem nicht: Als 1998 der Bielefelder Stadtrat entschied, die von Oetker
maßgeblich finanzierte Kunsthalle nicht nach seinem Stiefvater zu benennen,
der in der Nazizeit enge Verbindungen zur SS gepflegt hatte, zog Oetker
seine Leihgaben verärgert aus der Kunsthalle zurück.