15. April 2008 12:52
Auch am heutigen 91. Tag des BAWAG-Prozesses wurde der Großteil der
Verhandlung dem "Fragenmarathon" gewidmet. Die Abarbeitung der hunderten
Fragen von Helmut Elsners Verteidigung an Gutachter Fritz Kleiner
beschäftigte das Gericht trotz Kleiners Abwesenheit. Wegen seiner
Gutachtertätigkeit für den Grazer Herberstein-Prozess kann Kleiner nämlich
nur mehr zeitweise beim BAWAG-Prozess dabei sein. Elsners Anwalt Wolfgang
Schubert stellte heute neue Fragen bis zur Frage 800. Über hundert weitere
Fragen will Schubert morgen stellen.
Einige Fragen von Elsners Anwalt Wolfgang Schubert hält der Staatsanwalt
schlicht für nicht zulässig: "Wir sind nicht in der Millionenshow, der
Sachverständige ist keine allgemeine Auskunftsperson", wetterte er. Bei
einer anderen Frage wiederum meinte Krakow, diese klinge eher wie eine
"Maturaarbeitsfrage" und sei daher keine zuzulassende Frage, "auch wenn ein
Fragezeichen dahinter steht".
Steger als "allerletzer" Zeuge
Als "allerletzten
Zeugen" kündigte Richterin Claudia Bandion-Ortner die Ladung von Norbert
Steger, ehemals Vizekanzler (FPÖ), für nächsten Dienstag (22. April) an.
Steger war Verwaltungsrat der CAP Holding, Errichtungsgesellschaft für das
von der BAWAG finanzierte Casino Jericho, das im Zusammenhang mit dem
Anklagepunkt Bilanzfälschung eine Rolle spielt. Das Casino Jericho wurde im
Oktober 2000 im Zuge der Kämpfe der Intifada geschlossen.
Der Gerichtssachverständige Thomas Keppert hatte bei seinen Recherchen ein
Anderkonto Stegers entdeckt, von dem aus Zahlungen an verschiedene Personen
und Institutionen in Israel und der Schweiz geflossen waren. Zu diesen
"ominösen Zahlungen" werde Steger nun befragt, erläuterte die Richterin.
Ex-BAWAG-Chef Elsner hatte die Befragung Stegers in der Verhandlung
angeregt. Auch Keppert wird am 22. April wieder zur Verhandlung kommen.
Vorwürfe Elsners zurückgewiesen
Der
BAWAG-Privatbeteiligtenvertreter Wolfgang Brandstetter wies heute frühere
Vorwürfe Elsners zurück, wonach die Bank möglicherweise für Elsner
entlastende Unterlagen "verloren" habe. Elsners "Verdächtigungen bis hin zu
den wilden politischen Verschwörungstheorien" weise er als "völlig absurd"
zurück, betonte der Strafrechts-Universitätsprofessor Brandstetter.
Am Rande des Prozesses wurden heute wieder neue Prognosen zum
Urteilszeitpunkt geäußert. Mitte Juli 2007 hatte das
Mega-Wirtschaftsverfahren im Wiener Landesgericht begonnen, Mitte Mai könnte
es nun zu Ende gehen, mutmaßt Elsners Verteidiger Schubert. Damit würde der
Prozess dann zehn Monate dauern. Richterin Claudia Bandion-Ortner hat
Verhandlungstage bis Ende Mai festgelegt, der Prozess könnte aber auch "im
Mai" beendet werden, meinte sie heute. Wird der Verhandlungsplan
eingehalten, dann findet am 14. Mai der 100. Verhandlungstag statt.
"Ein paar Dollar übrig"
Bei Verlesungen aus dem
Akt stieß die Richterin heute auf Unterlagen aus den USA. Von der
Staatsanwaltschaft in New York wurden Daten zur Handelstätigkeit Wolfgang
Flöttls bei den Investmentbanken Morgan Stanley und Lehman Brothers
übermittelt. Unter anderem fanden sich Handelsströme zu einem Zeitpunkt, wo
laut bisherigen Angaben Flöttl bereits das ganze Kapital verloren hatte.
"Wir hatten ein paar Dollar übrig und haben weitergetradet", erläuterte
Flöttl dazu. "Ein paar Millionen Dollar", ergänzte die Richterin. Der
mitangeklagte Christian Büttner, Ex-BAWAG-Vorstand und ehemaliger Banker in
der Londoner City wurde von der Richterin zur Analyse der Unterlagen
herangezogen. Büttner wunderte sich über eine "Liberty Capital Limited" in
London, die in den Unterlagen aufschien. Italienische Staatsanleihen habe er
über ein "Back Office" in London angekauft, erläuterte Flöttl seine früheren
internationalen Handelsaktivitäten.
Mittwoch wird ein kurzer BAWAG-Prozesstag: Verhandelt wird nur von 9.15 Uhr
bis 10.30 Uhr, dann zieht sich der Senat zur Beratung über Beweisanträge
zurück.