Sonderausstellung

Leopold Museum zeigt unbekannten Nitsch

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Leopold feiert 10-Jahr-Jubiläum mit Schaffensaspekt abseits der populären Schüttbilder.

Geometrisches, Druck, Farbskalen: Mit einer eher unbekannten Seite Hermann Nitschs feiert das Wiener Leopold Museum sein 10-Jahres-Jubiläum nun mit der dritten und letzten Sonderausstellung des Herbstes. "Strukturen" vereint primär die Druckgrafiken und Zeichnungen des Künstlers, die einen Schaffensaspekt abseits der populären Schüttbilder zeigen, sich aber dennoch um den großen Gesamtkomplex des Orgien-Mysterien-Theaters drehen. Das O.M.-Theater fungiert gleichsam als große Klammer, bei der die Einzelwerke wie die Einzelstimmen im Orchester zusammenspielen. Auch die Grafiken wühlen im "Unterirdischen des menschlichen Seins als Körperwesen", so Kurator Carl Aigner.

Schüttbilder dabei
Empfangen wird der Ausstellungsbesucher allerdings klassisch von einem zur Farbkathedrale verwandelten Atrium, in dem sich mehrere monumentale Schüttbilder verschiedener Epochen gegenüberstehen. Über fünf Räume verteilt folgen dann jedoch 300 Einzelwerke wie die geometrischen Farbskalen des O.M.-Theaters oder Großformatiges wie "Das letzte Abendmahl" aus 1983, Körper- und Bewegungsstudie in einem. Bei aller mathematischen Strenge lassen sich in den meisten Arbeiten Anklänge an die Umrisse menschlicher Eingeweide finden, die so an die bekannte Formensprache Nitschs anbinden.

Filme
Zu den Druckgrafiken des "Meisters", wie Nitsch von seinen Jüngern apostrophiert wird, gesellen sich Partituren, Sekundärwerke oder persönliche Collagen wie "Golden Love". Auch der Asolo-Raum aus 1973 wurde in seiner Gesamtheit reinstalliert. Das Ephemere der Kunstform Aktionismus wird durch zahlreiche Filme zu kompensieren versucht.

Orgien-Mysterien-Theater
Eigentlich handle es sich mithin um keine klassische Ausstellung, gab Kurator Aigner zu bedenken: "Nitsch versucht, jede Ausstellung immer in ein kleines oder großes Orgien-Mysterien-Theater zu verwandeln." Man sehe also nur ein kurzes Innehalten in einem viel größeren Prozess: "Es gibt in Österreich nach 1945 keinen Theatermacher, der das Theater so revolutioniert, so weitergetrieben hat wie Nitsch."

Nitsch angetan
Nitsch selbst zeigte sich ob der Lobpreisungen gerührt, obgleich er ja eigentlich von langen Reden wenig angetan sei, die schließlich meist die Eröffnung des Buffets oder Wirtshauses hinauszögerten: "Aber wenn man so über mich redet, dann vergeht der Durst." Grundsätzlich sei er von der Ausstellung im Leopold Museum äußerst angetan, zumal er immer schon eine inhaltliche Nähe zum österreichischen Expressionismus mit dessen Erotik und der Affinität zum Exzessiven gehabt habe: "Jetzt bin ich heimgekehrt in den Vatikan und darf hier ausstellen - ich freue mich."

Diese inhaltliche Nähe konstatierte auch Sammlersohn Diethard Leopold, zumal sowohl Secessionismus als auch Aktionismus den Fokus auf den Körper legen würden: "Bei der allgemeinen Verschlafenheit und Unaufmerksamkeit der Erdenbewohner bedarf es intensiver Mittel." Nitsch tritt somit in einen Dialog mit dem Hausgott Schiele.

"Hermann Nitsch. Strukturen. Architekturzeichnungen, Partituren und Realisationen des O.M.Theaters" im Leopold Museum von 4. November bis 30. Jänner 2012 täglich außer dienstags von 10 - 18 Uhr, donnerstags 10 - 21 Uhr.  www.leopoldmuseum.org
 

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