Außenminister im Interview

Kurz: "Kampf gegen den Terror forcieren"

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Der Außenminister ist der meistbeachtete und meistbeschäftigte Politiker des Landes.

Im ÖSTERREICH-Interview spricht Kurz über die gefährliche Mission in der Ukraine und über seine- international auch umstrittenen – Ansichten zur Asyl- und Integrationspolitik.

ÖSTERREICH: Was war Ihr stärkster Eindruck bei Ihrer Mission in der Ukraine?

Sebastian Kurz:  Das Leid der Menschen dort ist massiv. Wir haben rund drei Millionen Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, über zwei Millionen sind auf der Flucht. Die Gespräche mit den Hilfsorganisationen vor Ort waren sehr bewegend. Die meisten Jungen sind weg, alte und pflegebedürftige Menschen sind völlig auf sich alleine gestellt.

ÖSTERREICH: Ist Frieden in absehbarer Zeit überhaupt möglich?

Kurz: Es muss gelingen, einen Waffenstillstand zustande zu bringen, der nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch wirklich hält.

ÖSTERREICH: Machen die Russland-Sanktionen noch irgendeinen Sinn?

Kurz: Mein Konzept ist klar: Ich möchte von der Bestrafung zu einem Modell des Anreizes kommen. Es soll für jede positive Entwicklung vor Ort eine stückweise Rücknahme der Sanktionen stattfinden. Das wäre ein deutliches Signal an Russland.

ÖSTERREICH: Wie kann sich Europa gegenüber einer möglichen Allianz Russland/USA behaupten?

Kurz: Diese Allianz sehe ich nicht. Was ich sehe, ist ein US-Präsident, der ein Interesse daran hat, ein besseres Verhältnis zu Russland aufzubauen. Das hätte ja auch eine positive Auswirkung auf uns, wenn es gelingt, das Blockdenken zwischen den USA und Russland, das wir aus dem Kalten Krieg kennen, wieder dorthin zurückdrängen, wo es hingehört: in die Geschichtsbücher.

ÖSTERREICH: Was sind Ihre vordringlichsten Ziele als Vorsitzender der OSZE?

Kurz: Drei Punkte: Die Konflikte innerhalb des OSZE-Raums zu entschärfen, vor allem in der Ukraine. Zweitens, mehr Vertrauen zwischen den Staaten aufzubauen. Und zum Dritten, den Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus zu forcieren.

ÖSTERREICH: Sind Sie da mit den Forderungen von Innenminister Sobotka einverstanden? Stichworte: Vernetzung der Videoüberwachung, Lauschangriff …

Kurz: Mit ihm gibt es eine tolle Zusammenarbeit und ich unterstütze seine Forderungen, insbesondere nach einer Verlängerung der Grenzkontrollen.

ÖSTERREICH: Es fällt auf, dass Sie und die Minister Sobotka und Doskozil auch international in der Asylfrage die Themen vorgeben …

Kurz: Die Minister Sobotka, Doskozil und ich ziehen in dieser Frage an einem Strang. Das Ziel ist klar, dass man den Zustrom illegaler Immigranten stoppt bzw. bestmöglich reduziert und dass man die Hilfe vor Ort ausbaut. Die Idee ist, dass man nicht in Europa, sondern bereits außerhalb entscheidet, wer legal zu uns kommen darf. Und diese Entscheidung nicht den Schleppern überlässt.

ÖSTERREICH: Sie werden dafür auch stark kritisiert, zum Beispiel vom luxemburgischen Außenminister …

Kurz: Ich nehme die Kritik an der Bundesregierung zur Kenntnis, auch wenn ich sie nicht teile. Ich bin schon für vieles massiv kritisiert worden, das dann Monate später auf breite Zustimmung gestoßen ist. Als Beispiel nehmen Sie nur die von mir vorgeschlagene Schließung der Westbalkanroute. Anfangs kritisiert, dann als großer Erfolg gefeiert. So wird es auch diesmal wieder sein.

ÖSTERREICH: Wann ist die Umsetzung Ihres Konzepts realistisch?

Kurz: Ich bin hundertprozentig sicher, dass sich dieses System am Ende des Tages durchsetzen wird, kann aber nicht einschätzen, wie lange es dauern wird, die Skeptiker und Kritiker zu überzeugen. Aber unser Modell wird sicher kommen, weil wir damit vor Ort mehr Menschen helfen können, den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen und dem Sterben im Mittelmeer ein Ende setzen.

ÖSTERREICH: Sie sind für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst?

Kurz: Ich bin dafür, diesen Vorschlag des Chefs unseres Expertenrats zu diskutieren. Wir müssen regeln, was in Österreich erlaubt ist und was nicht. Soll es erlaubt sein, ein Kopftuch im öffentlichen Dienst – vor allem in der Schule – zu tragen, eine Burka im öffentlichen Raum – ja oder nein? Dann kann man noch einmal unterscheiden zwischen Personen, die zum Beispiel großen Einfluss auf Kinder haben, wie Volksschullehrerinnen. Soll es Salafisten erlaubt sein, den Koran öffentlich zu verteilen? Das ist eine Debatte, die geführt werden und mit unserem Koalitionspartner verhandelt werden muss.

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