Debatte um Produktionsbezeichnungen

Österreichs EU-Abgeordnete mehrheitlich für "Veggie-Burger"

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ÖVP-EU-Abgeordnete für Kompromiss - Gamon: "Lobbygeschichte" -  FPÖ sieht Debatte als "sinnlos" an - VGT: Fleischbezeichnungen für Umsteiger wichtig

Brüssel/Wien. Die österreichischen EU-Abgeordneten der SPÖ, ÖVP, Grünen, FPÖ und NEOS haben sich am Dienstag gegen ein EU-weites Vermarktungsverbot von Fleischersatzprodukten als "Veggie-Burger" oder "vegane Wurst" ausgesprochen. Nur Simone Schmiedtbauer von der ÖVP-Delegation im EU-Parlament trat bei einem Online-Gespräch vor Journalisten für einen Kompromiss in der Frage ein.
 
Der Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments hatte einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hervorgebracht, über den die Europaabgeordneten diese Woche in Brüssel im Rahmen des Votums über ihre Verhandlungsposition in Bezug auf die künftige Gemeinsame Agrarpolitik der EU abstimmen werden. Der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Sidl hielte dies für eine "Entmündigung der Konsumenten", die selbst entscheiden könnten, ob ihnen etwas schmecke oder nicht.
 
Veggie
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× Veggie
Sojamilch
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"Selbstverständlich sollen auch Veggie-Burger als Burger bezeichnet werden dürfen. Es soll genau draufstehen, was drinnen ist und jeder greift zu dem Produkt, das einem schmeckt. Ein Burger aus roten Rüben etwa ist wirklich innovativ und geschmacklich top, sodass man diesen auch guten Gewissens als Burger bezeichnen kann", so Sidl in einer Aussendung. Handlungsbedarf sieht er hingegen bei den Herkunftsbezeichnungen. Diese sollten "angeben, wo ein Produkt herkommt und nicht, wo es verarbeitet wurde".
 
Die Agrarsprecherin der ÖVP-Delegation im Europaparlament Simone Schmiedtbauer tritt für einen Kompromiss ein, nachdem Fleischprodukte wie Wurst und Fleischteile wie Schnitzel und Steak geschützt werden, Fleischzubereitungen wie Faschiertes aber nicht. Ein Seitan-Schnitzel oder Soja-Steak gäbe es dann nicht mehr.
 
Die Grüne Fraktion im EU-Parlament ist klar gegen den Vorschlag, wie aus Parlamentskreisen verlautete. Der Grüne EU-Mandatar Thomas Waitz sagte bereits am Freitag, "Wir benennen jetzt auch nicht die Milchstraße um." Die eingebrachten Änderungen der Konservativen seien "im Sinne der Fleischindustrie und nicht im Sinne der Konsument*innen", hieß es am Donnerstag. Bezeichnungen wie Veggie-Burger seien "klar und deutlich genug", um vegetarische Produkte zu kennzeichnen. Auch die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon sieht die "Veggie-Burger"-Diskussion als "Lobbygeschichte" an und forderte "klare Informationen" auf den Verpackungen, jedoch keine unverhältnismäßige Vorregulierung, als ob EU-Bürger "für alles zu blöd" seien.
 
Der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider bezeichnete die Debatte in einer Aussendung als "sinnlos". Er könne "nicht nachvollziehen" dass über die Bezeichnung für vegane Produkte diskutiert werde, "mitten in einer für viele Bürger existenzbedrohenden Situation und schlimmsten Wirtschaftskrise". Für Haider zeigt dies, dass "die Gemeinsame Agrarpolitik völlig auszuufern" droht. Die FPÖ habe sich immer für "klare Produktbezeichnungen" eingesetzt. "Milch ist Milch, Fleisch ist Fleisch und Sojaprodukte sind Sojaprodukte. Man kann den Bürgern durchaus zutrauen, dass sie das unterscheiden können und dann ihre Wahl treffen", so der FPÖ-EU-Mandatar.
 

 "Tierindustrie" wolle "Veggie-Boom verhindern" 

"Auf jeden Fall" dürfen für den Verein gegen Tierfabriken (VGT) Veggie-Burger auch Burger heißen. Die "Tierindustrie" wolle den "Veggie-Boom verhindern" und den "stetigen Wechsel zu pflanzlichen Nahrungsalternativen unterbinden", heißt es in einer Stellungnahme.
 
"Die Tierindustrie behauptet, in einem Fleischprodukt muss auch ein Tier drinnen sein. Aber kann man die Hühner und Puten in den Tierfabriken überhaupt als Tiere bezeichnen?", fragt VGT-Obmann Martin Balluch darin und bezeichnete diese als "grotesk verzüchtete 'Monster'". "Wenn keine Veggie-Hühnerbrust, dann den Begriff Hühnerfleisch nur noch für Produkte von Freilandtieren von natürlichen Arten!", fordert er.
 
"Die Wurst- und Fleischbezeichnungen für pflanzliche Alternativen" sind seiner Ansicht nach besonders für Menschen wichtig, die erstmals auf fleischlose Alternativen umzusteigen versuchen. "Und genau deshalb versucht die Tierindustrie diese Änderung der Nomenklatur, um die Hürde des Umstiegs zu erschweren", so der VGT-Obmann. Auch das zu Unilever gehörende Unternehmen "The Vegetarian Butcher" ist laut einer Aussendung überzeugt, dass die bestehenden Bezeichnungen Konsumenten nicht verwirren.
 
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sieht umgekehrt die Gefahr, dass bei der Abstimmung in dieser Woche "traditionelle Bezeichnungen für Fleisch- und Wurstwaren für die Vermarktung von vegetarischen und veganen Imitaten von Fleisch, Fleischzubereitungen und Fleischprodukten geöffnet" und damit Österreichs strenger Lebensmittel-Codex ausgehebelt werde, wie aus einer Aussendung hervorgeht.
 
Laut dem Gesetzesvorschlag des Landwirtschaftsausschusses des EU-Parlaments sollten "sich auf 'Fleisch' beziehenden Begriffe und Bezeichnungen (...) ausschließlich den zum Verzehr geeigneten Teilen der Tiere vorbehalten" sein. Als Beispiele führt der Entwurfstext "Steak", "Wurst", "Schnitzel", "Burger" und "Hamburger" auf. Auch die Vermarktung von Ersatzprodukten für Milcherzeugnisse könnte demnach eingeschränkt werden. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2017 dürfen rein pflanzliche Produkte bereits nicht mehr als "Sojamilch" oder "Pflanzenkäse" verkauft werden. Dieses Verbot soll dem Gesetzesentwurf zufolge auf Bezeichnungen wie "'-geschmack', '-ersatz', 'Art' oder dergleichen" ausgeweitet werden.
 
Der Landwirtschaftsausschuss hatte diese Passagen als Änderungen an einem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur einheitliche gemeinsame Marktorganisation (GMO) im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgeschlagen, der am morgigen Mittwoch zur Abstimmung kommt. Der Zeitpunkt des finalen Votums ist laut Parlamentskreisen noch nicht fix. Bei Annahme des vorliegenden Textes wären die Änderungen noch nicht beschlossen. Dann beginnen zunächst die Verhandlungen des Parlaments mit den EU-Ländern.
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