Christian Wehrschütz im Interview

"7.000 Flüchtlinge in 24 Stunden"

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240.000 Menschen kamen ­bisher über die Balkanroute. 200.000 werden erwartet. 

ORF-Reporter Christian Wehrschütz berichtet derzeit von der serbisch-ungarischen Grenze, dem Nadelöhr auf der Balkanroute nach Europa.

ÖSTERREICH: Die nächste Flüchtlingswelle rollt bereits...

Christian Wehrschütz: 240.000 haben seit Jahresbeginn die sogenannte Balkan-Route in Richtung EU-Staaten passiert. 74 Prozent davon waren Syrer. Am Anfang kamen größtenteils junge Männer, jetzt immer mehr Familien. Wir müssen uns auf eine sehr lange Flüchtlingsbewegung einstellen.

ÖSTERREICH: Gibt es Zahlen?

Wehrschütz: Genau kann das niemand mehr sagen, 
da sich die wenigsten Flüchtlinge auf der Balkanroute registrieren lassen. Sie wollen nach Deutschland, Skandinavien., In den beiden Camps an der ungarisch-serbischen Grenze sind derzeit rund 1.000 Leute. Da herrscht aber sogenannter Schichtbetrieb, täglich kommen 3.000 Neue – viele bleiben nur wenige Stunden, ruhen sich aus, schlafen eine Nacht in den Camps und fahren sofort weiter. Was mit diesen Massen geschehen wird, sollte der ungarische Grenzzaun fertig sein, wage ich mir nicht vorzustellen. An der griechisch-mazedonischen Grenze sind zuletzt binnen 24 Stunden 7.000 angekommen. Das ist neuer Rekord.

ÖSTERREICH: Die UN spricht von rund 200.000 Menschen, die unterwegs sein sollen.

Wehrschütz: Die Flüchtlinge kommen stets in Wellen. Wie groß diese sind, hängt letztlich von den Schleppern in der ­Türkei ab. 30.000 sind aktuell auf den griechischen Inseln, 20.000 davon allein auf der Insel Lesbos. Die wollen weiter. Tatsache ist, dass derzeit die ­syrische Mittelschicht in Richtung Europa strömt: Tischler, Fleischhauer, Maurer, Arbeiter. Es mag zynisch klingen, aber es wäre günstiger, würde man die Flüchtlinge in der Türkei abholen und per Flugzeug in die EU bringen. 

Karl Wendl

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