Einigung im Asylstreit

Asyl-Gipfel: So wird Europa zur Festung

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Europa als Festung. Ein Verhandlungsmarathon zum Asylstreit brachte den Durchbruch.

Brüssel. „Italien ist nicht mehr alleine“, jubelte ein sichtlich zufriedener italienischer Premier Giuseppe Conte um 4.34 Uhr Freitagfrüh. „Es ist ­eine gute Botschaft in dieser herausforderndsten Frage Europas. Jetzt kommt viel auf die österreichische Präsidentschaft zu“, atmete auch eine müde, aber erleichtert wirkende deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Und VP-Kanzler Kurz erklärte, er sei „froh, dass jetzt Auffangzentren“ für Flüchtlinge in Nord­afrika vorgesehen seien.

Neun Stunden hatten die 28 EU-Staats- und Regierungschefs um einen Kompromiss im Flüchtlingsstreit gerungen. Ein Polit-Thriller. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verhandelte direkt mit Italiens Conte. Merkel versuchte Ungarns Premier Viktor Orbán auf ihre Seite zu bekommen. Um 4.34 Uhr schaffte die EU-Runde letztlich den Kompromiss:

Außengrenzen dicht, neue Milliarden für die Türkei

  • Hauptbotschaft: Massive Verschärfung der Asylpolitik.
  • Anlandezentren“: Freiwillige Asylzentren in Europa (vermutlich in Spanien) werden errichtet. Von dort aus sollen Migranten auf EU-Staaten aufgeteilt werden. Kurz hat klar gemacht, dass Österreich keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen wird.
  • Nordafrika: Zudem sollen Auffangzentren für Flüchtlinge in Nordafrika in Zusammenarbeit mit UNHCR „geprüft“ werden. Flüchtlinge sollen künftig im Mittelmeer abgefangen und nach Nordafrika zurückgebracht werden. Bislang weigern sich die nordafrikanischen Staaten aber, Camps zu errichten.
  • Außengrenzen werden dicht: Die Grenzschutz-Truppe Frontex soll bis 2020 personell und finanziell massiv aufgestockt werden. Sie soll die EU-Außengrenzen schützen.
  • Türkei-Milliarden: Die Auszahlung der zweiten Tranche an die Türkei wurde beschlossen. Für das Flüchtlingsrücknahmeabkommen erhält Ankara zwei Mal drei Mrd. Euro.
  • Austro-Gewinn: Angenommen wurde der von Österreich unterstützte Vorschlag Maltas, wonach Schiffe von NGOs, die im Mittelmeer unterwegs sind, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten, künftig aus den libyschen Küstenregionen verbannt werden sollen. Bei Verstößen soll es Maßnahmen geben.
Gewinner dieses Gipfels scheint neben Macron, Spaniens Premier Sanchez und Italiens Conte auch Merkel zu sein. Sie nützte Pausen der ­hitzigen Brüssel-Sitzung, um Flüchtlings-Rücknahme-Abkommen mit Frankreich, Griechenland, Spanien, Ungarn und anderen anzubahnen. Damit dürfte sie den Streit mit ihrem Innenminister Horst Seehofer – er wollte die deutschen Grenzen auch ohne EU-Lösung dichtmachen – vorerst entschärft haben.
 
Austro-Vorsitz. Kurz, der ab heute den EU-Ratsvorsitz übernimmt, kann sich freuen: Unter seiner Ägide wird die EU-Asylpolitik verschärft. Wer die Flüchtlinge aber wirklich aufnehmen wird, und ob tatsächlich Camps in Nordafrika entstehen, ist noch nicht ausverhandelt.

Umfrage: 69 % gegen Flüchtlinge

Mehr als zwei Drittel der ­Österreicher wollen einen deutlich strengeren Kurs. „Sämtliche Flüchtlinge sollen direkt an der Grenze zu Österreich abgewiesen werden“, das befürworten 69 % der Befragten in einer ÖSTERREICH-Umfrage von Research Affairs (1.004 Onlineinterviews vom 21.–27. Juni, max. Schwankungsbreite 3,2%).
 
Asyl-Gipfel: So wird Europa zur Festung
© oe24
Sollen wir Asylwerber abweisen? 69 % wollen dichte Grenzen.
 
Knapp drei Viertel (74 %) sagen: „Österreich ist für eine neue Flüchtlingswelle nicht gerüstet“. Angela Merkel geht den Österreichern mit ihrer Linie – „Flüchtlinge in Europa verteilen“ – nicht weit genug (30 % Befürworter).
 
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