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Brasilien: Für Präsidentin Rousseff wird es eng

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Der Senat entscheidet über die Suspendierung der Präsidentin.

Nach über fünf Jahren an der Macht soll Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff vom Amt suspendiert werden. Der Senat will am Mittwoch (ab 14.00 Uhr MESZ) darüber beraten und entscheiden. Es wird mit einer 10-stündigen Marathonsitzung gerechnet.

Bei einer einfachen Mehrheit von 41 der 81 Senatoren wäre die Politikerin der linken Arbeiterpartei zunächst für ein halbes Jahr abgesetzt. Es galt als sehr wahrscheinlich, dass diese Stimmenzahl erreicht werden wird.

Sie gab sich bis zuletzt kämpferisch und setzt darauf, im Fall der Fälle nach der Suspendierung und einer eingehenden juristischen Prüfung in den Präsidentenpalast zurückzukehren. "Ich werde mit all meiner Kraft kämpfen. Der letzte Tag meines Mandats ist der 31. Dezember 2018", betonte sie am Dienstag bei einer Konferenz zur Frauenpolitik. Sie sei das Verhalten der "Verräter" in Brasilia leid.

Rousseff spricht von Putsch

Der 68-Jährigen werden unter anderem verzögerte Geldtransfers an Staatsbanken für Sozialprogramme vorgeworfen, um das Haushaltsdefizit in besserem Licht erscheinen zu lassen. Sie hält die Vorwürfe für ungerechtfertigt spricht von einem "Putsch" der Gegner. Zuvor hatte die Abgeordnetenkammer bereits im April mit Zweidrittelmehrheit den Weg für das Verfahren frei gemacht. Damit ist nun der Senat am Zuge.

Vizepräsident Michel Temer will im Falle einer Suspendierung sofort Rousseffs Amtsgeschäfte übernehmen. Er will ein Kabinett ohne ihre seit 2003 regierende linke Arbeiterpartei bilden. Temers Partei, die PMDB, hat mit Rousseff gebrochen. Temer will eine Privatisierungswelle und Wirtschaftsreformen einleiten.

Absetzung schon im Herbst

Im Herbst könnte Rousseff endgültig abgesetzt werden. Zwar brachte die Regierung am Dienstag beim Obersten Gerichtshof eine Klage ein, um die Suspendierung quasi in letzter Minute noch abzuwenden. Es war jedoch unklar, ob diese Maßnahme noch etwas bewirken kann. Sie richtet sich primär gegen den wegen der Behinderung von Korruptionsermittlungen abgesetzten Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha. Dieser hatte mit Tricks und Parteinahme das Verfahren im Abgeordnetenhaus gesteuert und auch die entscheidende Abstimmungs-Sitzung im April geleitet.

Cunhas Interimsnachfolger Waldir Maranhao hatte das Votum am Montag zunächst völlig überraschend annulliert. Seine Partido Progressista (PP) drohte ihm nach seiner eigenmächtigen Entscheidung aber mit dem Rauswurf. Wenig später kam es zur Annullierung der Annullierung.

1992 letzter und bisher einziger Fall

Bisher gab es solch ein Verfahren in Brasilien erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert - und trat Ende des Jahres schließlich selbst zurück.

Das fünftgrößte Land der Welt ist mit einer der schwersten Regierungskrisen seit dem Übergang zur Demokratie 1985 konfrontiert. Und das in einer Phase, wo das Land sich parallel in der tiefsten Rezession seit den 1930er-Jahren befindet - über elf Millionen Menschen sind arbeitslos. Temer würde bei einer Ablösung Rousseffs auch die Olympischen Spiele am 5. August in Rio de Janeiro eröffnen.

Video zum Thema: Wegen Rousseff: Krawalle in Brasilien



 
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