Im Voraus geplant

Gülen: Erdogan hat Putschversuch selbst inszeniert

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Der türkische Präsident soll den Putschversuch "im Voraus geplant" haben.

Der türkische Geistliche Fethullah Gülen hat Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan direkt für den Putschversuch vom 15. Juli in der Türkei verantwortlich gemacht. "In den vergangenen Tagen kamen so viele Beweise ans Licht, dass dies zur Gewissheit wird", sagte Gülen in einem Interview mit dpa, der Wochenzeitung "Die Zeit" und der spanischen Tageszeitung "El Pais" in seinem Exil in den USA.

Auf Gelegenheit gewartet
Erdogan habe den Coup Jahre im Voraus geplant. "Er hat nur auf die richtige Gelegenheit gewartet", sagte Gülen, der seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania lebt. Die türkische Regierung macht ihrerseits Gülen und seine regierungskritische Hizmet-Bewegung für den Putschversuch verantwortlich und fordert die Auslieferung des 78-Jährigen. Er gilt in der Türkei inzwischen als Staatsfeind Nr. 1.

 "Im Nachgang des Putschversuches nutzt er ihn, um seine Macht zu verfestigen", sagte Gülen über Erdogan. "Was immer er auch geplant hat - der Putsch gibt ihm die Möglichkeit, es zu tun." Viele für die Regierung unliebsame Amtsträger, ob in Ministerien, Militär, Gerichten oder bei der Polizei, seien entlassen, viele von ihnen inhaftiert worden.

Gülen forderte eine internationale Kommission mit Experten aus den USA, Deutschland, den Niederlanden und weiteren Staaten, die den Putschversuch und dessen Umstände untersuchen sollten. Dieser Vorschlag sei von der türkischen Regierung nicht einmal in Erwägung gezogen worden, sagte Gülen. "Wenn dabei herauskommen sollte, dass ich an dem Putschversuch beteiligt war - ich kann mit den Ergebnissen leben", sagte er.

"Fast alles verloren"
Er gehe nicht davon aus, dass die Türkei in nächster Zeit Anforderungen erfüllen werde, die für Aufnahmeverhandlungen in die EU nötig seien. Dem Staat müsse mit internationalem Recht und Machtworten von NATO und den USA begegnet werden, forderte er. "Sonst wird das nicht aufhören", betonte Gülen. "Sie werden nicht leichtfertig aufgeben, was sie bereits erreicht haben." Die Türkei habe eine Tradition der Demokratie. "Aber inzwischen haben wir fast alles verloren", sagte Gülen.

Gülen war bis zum Bruch 2013 selbst ein enger Verbündeter von Erdogan. Ursprünglich machte er sich als einflussreicher islamischer Prediger einen Namen. Bis in die 1980er Jahre hinein wirkte er als Imam in verschiedenen türkischen Städten. Seine Bewegung Hizmet ("Dienst") legte einen ihrer Schwerpunkte auf die Verbesserung von Bildungschancen. Wirtschaftliche Macht gewann die Gülen-Bewegung mit eigenen Schulen, Bildungseinrichtungen, Wirtschafts- und Medienunternehmen.

Heftiger Machtkampf
Seit dem Bruch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Erdogan liefert sich dieser einen heftigen Machtkampf mit Anhängern der Gülen-Bewegung, der eine Unterwanderung von Polizei und Justiz vorwirft. Nach einem Korruptionsskandal im engsten Umfeld von Erdogans Regierungspartei AKP, der Ende 2013 in der Festnahme mehrerer Ministersöhne gipfelte, wurden zahlreiche mit den Ermittlungen befasste ranghohe Polizisten des Amtes enthoben.

Die Gülen-Bewegung wurde inzwischen zu einer Terrororganisation erklärt, viele ihrer führenden Köpfe stehen auf einer Liste der meistgesuchten Terroristen der Türkei. Die Türkei fordert Gülens Auslieferung. Der gesundheitlich angeschlagene Prediger lebt seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania. Er war nach einer Anklage wegen staatsgefährdender Umtriebe bereits Ende der 1990er Jahre ausgewandert - also schon lange vor dem Zerwürfnis mit Erdogan.
 

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