Parlamentswahlen

Wahlen in Slowakei: Koalition ist fraglich

Teilen

Der Wahlkampf steht im Zeichen von Flüchtlingskrise und Lohnprotesten.

In knapp drei Wochen werden 4,4 Millionen Slowaken die Zusammensetzung ihres neuen Parlaments für die nächste vierjährige Amtszeit bestimmen. Der Sieger der Parlamentswahlen am 5. März steht längst fest: Erneut dürfte die sozialdemokratische Partei Smer von Premier Robert Fico stärkste Kraft werden. Wie die künftige Regierung der Slowakei aussieht, ist dennoch ein großes Fragezeichen.

23 Parteien
Insgesamt 23 Parteien und Bewegungen bemühen sich um die Gunst der Wähler. Darunter sind zahlreiche neugegründete Splitterparteien und Protestgruppierungen, denen so gut wie keine Chancen zugerechnet werden, die Wahlhürde von fünf Prozent zu überwinden. Umfragen zufolge dürften bis zu sieben Parteien den Einzug ins Parlament schaffen. Mehrere etablierte oppositionelle Mitte-Rechts-Parteien müssen allerdings um ihren erneuten Einzug ins Parlament bangen.

Welche Mehrheit sich schließlich im neu gewählten Nationalrat finden wird, ist völlig offen. Die alleinregierende Smer dürfte erneut mit Abstand stärkste Kraft werden, in Umfragen liegt sie stabil bei deutlich über 30 Prozent. Unklar ist allerdings ob sie ihre absolute Mehrheit halten kann. Sonst müsste sich Fico nach einem Koalitionspartner umsehen. Beobachter halten es aber auch für möglich, dass der zweimalige Regierungschef von einer breiten Koalition ohne sozialdemokratische Beteiligung abgelöst wird.

Absolute Mehrheit
"Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass schließlich eine Koalition ohne Smer zustande kommt," erklärt Pavel Haulik, Chef der Meinungsforschungsagentur MVK. Dafür müsste die zerstrittene Mitte-Rechts-Opposition aber nicht nur gut abschneiden, sondern es auch schaffen, sich gegen die Regierungspartei zusammenzuschließen.

Eher glauben Beobachter derzeit jedoch, dass die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit verlieren und gezwungen sein werden, eine Koalition einzugehen. "Es ist die Alternative, die am ehesten infrage kommt," meint auch Haulik. Deshalb prägen auch Debatten über mögliche Koalitionspartner für Smer seit Wochen den Wahlkampf in der Slowakei. Die Mitte-Rechts-Parteien beschuldigen sich gegenseitig der Absicht, mit der Fico-Partei kollaborieren zu wollen.

Neustart
"Ein Wettstreit um die schönste Braut der Smer hat begonnen. Einige Oppositionsparteien bereiten ihre Wähler schon auf diese Möglichkeit vor," kritisierte jüngst Richard Sulik, Vorsitzender der neoliberalen Freiheit und Solidarität (SaS) und EU-Abgeordneter seines Landes. Seine SaS muss um den erneuten Einzug ins Parlament kämpfen. In den jüngsten Umfragen lag sie bei lediglich 5,1 Prozent.

Ganz anders die rechtspopulistische Slowakische Nationalpartei (SNS), die mit aktuell 8,1 Prozent drittstärkste Partei werden dürfte und nach vier Jahren im Abseits den Sprung in den Nationalrat schaffen könnte. Als einzige Gruppierung hat die SNS deutliche Konsequenzen aus dem Wahlfiasko vor vier Jahren gezogen, meint Haulik. Der umstrittene Nationalist Jan Slota wurde aus der Partei geworfen. Unter dem Jungpolitiker Andrej Danko versucht die SNS mit geänderter Rhetorik einen Neustart in Richtung einer gemäßigteren Volkspartei.

Verunsicherung
Die SNS hatte Fico bereits in seiner ersten Regierung zwischen 2006 und 2010 als Juniorpartner unterstützt. Dennoch würde Fico laut Haulik wohl eine Koalition mit einer der weniger umstrittenen Parteien, Most-Hid (Brücke) von Bela Bugar oder den Christdemokraten (KDH) von Jan Figel bevorzugen. Beide haben Smer in der laufenden Amtszeit bei Verfassungsänderungen unterstützt, beide kommen laut Umfragen auf rund acht Prozent. Ob sie sich auf eine Zusammenarbeit mit der Smer einlassen würden, ist aber fraglich.

Ein unbeschriebenes Blatt ist die erst 2014 gegründete Partei Siet (Netz) des ehemaligem KDH-Mitglied Radoslav Prochazka. Der studierte Jurist, der mit wenige Erfolg bei der Präsidentschaftswahl kandidiert hatte, hat die Ambition Einigungsfigur der hoffnungslos zersplitterten Rechten zu werden. Prochazka hat eine mögliche Koalition mit Smer wiederholt nicht ausgeschlossen, nach heftiger Kritik der potenziellen Partner des Mitte-Rechts-Lagers aber zurückgerudert. Damit würden auch die Wähler verunsichert, meint der Politologe, weshalb das Abschneiden der Neo-Partei schwer vorherzusagen sei. Laut aktuellen Umfragen könnte Siet mit mehr als 13 Prozent gar zweitstärkste Partei werden.

Sozialpakete
"Fico könnte erneut auch auf eine absolute Mehrheit kommen unter der Bedingung, dass mindestens zwei, drei Mitte-Rechts-Parteien nicht ins Parlament kommen und dadurch viele Wählerstimmen verfallen," sagt der Politikwissenschaftler Grigorij Meseznikov vom Institut für Öffentlichkeitsfragen IVO. Der Regierungschef bemüht sich seit Monaten dieses Ziel zu erreichen. Als Wahlzuckerl wurden umfangreiche "Sozialpakete" beschlossen: der Maßnahmenkatalog reicht von Gratiszügen für Studenten und Pensionisten bis zur Rückerstattungen der Gaskosten für Haushalte. "Wenn es dem Staat wirtschaftlich gut geht, ist es seine Pflicht, dies mit den Bürgern zu teilen," erklärte der sozialdemokratische Regierungschef.

Die Wirtschaftsergebnisse der Slowakei können sich tatsächlich sehen lassen, 2015 erreichte das Wirtschaftswachstum der Slowakei laut einer ersten Schätzung des Statistikamtes mit 3,7 Prozent des BIP die besten Werte seit fünf Jahren. Das Budgetdefizit lag im Vorjahr bei rund 2,6 Prozent, selbst die hohe Arbeitslosenrate sank zuletzt deutlich. Im Dezember lag sie bei 10,6 Prozent.

Flüchtlingskrise
Punkten will Fico auch mit seinem harten Kurs in der Flüchtlingskrise, die er zum Hauptthema seines Wahlkampf erhoben. "Er hat schnell begriffen, dass er damit eine politische Goldmine hat," erklärte der Politkommentator Marian Lesko. Obwohl kaum Flüchtlinge in die Slowakei gekommen sind, schürt Fico mit islamfeindlichen Äußerungen die Ängste in der Bevölkerung. Innerhalb der EU kämpft er vehement gegen die beschlossenen Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen in Europa und zieht deshalb auch vor den Europäischen Gerichtshof. "Wir schützen die Slowakei," versprechen die Wahlplakate seiner Partei.

Der Großteil der Bevölkerung teilt die Haltung Ficos, auch wenn der Ausländeranteil in der Slowakei mit 1,5 Prozent einer der niedrigsten Werte Europas ist. Aber auch im Parteienspektrum gibt es kaum Stimmen gegen den Regierungskurs. Dasas Flüchtlingsthema, das Ficos Smer zunächst einen Höhenflug bescherte, scheint aber langsam an Zugkraft zu verlieren. In den vergangenen Wochen wurde es teilweise von Massenkündigungen der Krankenschwestern und einem Lehrerstreik für bessere Löhne verdrängt. Die Smer-Regierung zeigte sich den Forderungen beider Berufsgruppen gegenüber stur. Seit Jänner haben die Sozialdemokraten gut zwei Prozent verloren und liegen nunmehr bei rund 34 Prozent.

Ausgang offen
Angesichts der hohen Zahl von unentschlossenen Wählern ist der Ausgang aber völlig offen, warnt der Politologe Haulik. Rund ein Drittel ist demnach noch unentschieden.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.