Die steigenden Gesundheitsausgaben und demografischen Veränderungen erfordern dringende Reformen. Im Jahr 2024 beliefen sich die Gesundheitsausgaben in Österreich auf über 57 Milliarden Euro – ein Anstieg von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Ärztekammer sieht vor allem langfristig einen starken Nachbesetzungsbedarf im öffentlichen Gesundheitssystem. Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart verwies auf die anstehenden Pensionierungen, die demografische Entwicklung und die Abwanderung ausgebildeter Medizinerinnen und Mediziner. Aktuell gebe es zwar keinen Ärztemangel, langfristig sei die Situation jedoch kritisch.
Demografischer Wandel trifft auf steigenden Bedarf
Per 31. Dezember 2024 waren 52.005 Ärztinnen und Ärzte in Österreich tätig, ein Plus von 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darunter befanden sich 9.620 Turnusärzte, 12.882 Allgemeinmediziner, 29.385 Fachärzte und 118 approbierte Ärzte. Fast die Hälfte, 49,9 Prozent (25.968), waren weiblich. Am höchsten ist der Frauenanteil in der Allgemeinmedizin (60,8 Prozent) und unter den Turnusärzten (56,4 Prozent). Unter Fachärztinnen und Fachärzten liegt der Anteil bei 43 Prozent.
„Ein hoher Prozentsatz der Ärztinnen und Ärzte aus der Babyboomer-Generation geht in den kommenden Jahren in Pension“, sagte Steinhart gegenüber der APA. Dem stehe gegenüber, dass die Bevölkerung wachse und zugleich betreuungsintensiver werde. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Kassenärzte in den vergangenen 20 Jahren kaum verändert, während die Bevölkerung von rund acht Millionen auf 9,2 Millionen angewachsen sei.
Geänderte Anforderungen – Attraktivität des Standorts stärken
Steinhart verweist zudem auf den Wandel des Arztberufs. Teilzeitmodelle und die sinkende Bereitschaft, sehr hohe Wochenstunden zu leisten, seien zentrale Entwicklungen. „Die neue Generation will anders arbeiten, mehr Zeit für Patientinnen und Patienten haben, aber auch für Familie und Privatleben“, betont Steinhart. Um dem gerecht zu werden, müssten Arbeitsbedingungen sowohl stationär als auch niedergelassen flexibler gestaltet werden.
Dazu gehörten Teilzeitmodelle, Teil-Kassenverträge, Job-Sharing, Anstellungsmöglichkeiten und die Option, gleichzeitig im öffentlichen System und im Wahlarztsystem tätig zu sein. Österreich müsse international konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen bieten, um Ärztinnen und Ärzte im Land zu halten und aus dem Ausland zu gewinnen. „Wir müssen ein Drittel mehr motivieren, hier bei uns ins System einzusteigen.“
Bürokratieabbau und bessere Ausstattung
Dringend nötig sei auch ein deutlicher Bürokratieabbau in Kassenarztpraxen und Krankenhäusern. Unnötige Verwaltungsarbeit koste Zeit, die dringend für die Patientenbetreuung benötigt werde, und senke die Arbeitszufriedenheit.
Darüber hinaus fordert die Ärztekammer eine bessere Ausstattung der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Auf europäischer Ebene sollte eine EU-weite Mindestquote für Studienplätze eingeführt werden, um „Sogwirkungen“ zwischen den Ländern zu reduzieren. Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums in Österreich sollten sofort nach Studienabschluss Ausbildungsstellen angeboten bekommen.
Notwendige Maßnahmen, um das Gesundheitssystem effizienter zu gestalten:
Kampf dem Ärztemangel
Ein zentrales Anliegen der Ärztekammer ist die Schaffung zusätzlicher Kassenarztpraxen. Aktuell sind in Österreich fast 300 Kassenarztpraxen unbesetzt. Oft finden sich Monate oder sogar Jahre lang keine Interessenten. Die Ärztekammer fordert daher mindestens 1.000 zusätzliche Kassenarztpraxen und eine spürbare Attraktivierung der Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit, damit sich genügend Mediziner dazu bereit erklären, als Kassenärzte zu arbeiten.
Demografische Herausforderungen
Die alternde Bevölkerung führt zu einem erhöhten Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen. Prognosen zeigen, dass der Anteil der über 65-Jährigen bis 2030 auf über 20 % steigen wird. Dies erfordert eine Anpassung der Versorgungsstrukturen und -modelle.
Notwendige Reformen:
- Primärversorgung stärken: Durch den Ausbau von Gesundheitszentren und interdisziplinären Teams kann die Grundversorgung verbessert werden.
- Digitalisierung vorantreiben: Telemedizin und elektronische Gesundheitsakten können die Effizienz steigern und den Zugang zur Versorgung erleichtern.
- Prävention fördern: Investitionen in Präventionsprogramme können langfristig Kosten senken und die Lebensqualität erhöhen.
Finanzierung sichern:
Die steigenden Ausgaben erfordern eine nachhaltige Finanzierung. Mögliche Ansätze sind die Einführung von Gesundheitsfonds, eine gerechtere Verteilung der Beiträge und die Förderung von privaten Zusatzversicherungen.