Philosoph Liessmann sieht selbstfahrende Autos als dramatischen Eingriff in Tabubereich und Paradigmenwechsel bei Sicherheit auf Straße.
Das selbstfahrende Auto könnte schon im nächsten Jahrzehnt Realität werden. Pilotprojekte gebe es bereits, ausgewählte Teststrecken könnten in den nächsten fünf bis zehn Jahren ihren Betrieb aufnehmen, erklärte der Vorstandsvorsitzende des österreichischen Telematik-Clusters ATTC, Helmut-Klaus Schimany.
Computer als Lenker
Chips auf der Fahrbahn und Satelliten würden
künftig das Fahrzeug lenken, zusätzliche Sensoren die Geschwindigkeit
steuern, damit es zu keinen Staus kommt, und Geräte im Fahrzeug für den
nötigen Abstand zum Vordermann und anderen Hindernissen sorgen, so das
Szenario. Der Straßeninfrastrukturbetreiber, in Österreich etwa die
Autobahngesellschaft Asfinag, greift dann direkt in die Fahrzeugtechnik
jedes einzelnen Autos ein.
Akzeptanzprobleme und Tabubruch
Philosoph Konrad Paul Liessmann
warnt allerdings vor einem Akzeptanzproblem. Er spricht von einem
dramatischer Eingriff in das Chauffieren eines Vehikels, das "manche als das
einzige Glück auf dieser Erde sahen". Die Technik rühre damit "an ein
zentrales Tabu des fetischisierten Automobils: der Souveränität des
Lenkers". Gleichzeitig eröffne die Technik "eine neue Dimension der
Sicherheit auf den Straßen", einem der letzten Orte, an denen "der moderne,
von Sicherheitsnetzen umgebene Mensch" sich bisher noch "ganz bewusst einem
lebensbedrohenden Risiko" aussetze.
Mit den neuen Techniken verfüge man über die Fortbewegungskraft des Autos "dann ungefähr so wie der Fahrgast eines Zugabteils über die Lokomotive". Man tue "gut daran, den Menschen dafür Ersatzglück anzubieten - etwa ... ungestört telefonieren, mailen, spielen, surfen", so Liessmann.
Schimany geht davon aus, dass schon in den nächsten Jahren fünf bis sieben Prozent der gesamten Infrastruktur-Bau- und -Erhaltungskosten in diese Fahrzeugsteuerung fließen werden. Das wären beim derzeitigen Straßen- und Bahn-Investitionsvolumen in Österreich mehr als 100 Mio. Euro im Jahr - auch wenn Schimany einräumte, dass von der einen Milliarde Euro Bundesinvestitionen, die die alte Regierung vor dreieinhalb Jahren in einem Telematikrahmenplan bis 2020 in Aussicht gestellt hatte, derzeit noch nichts in Sicht sei.
Teure Straßensensorik
Das Verkehrsministerium schreibt
derzeit mit der Forschungsförderungsgesellschaft FFG viermal im Jahr gerade
einmal Förderungen von insgesamt vier bis fünf Mio. Euro aus. Dazu kommen
noch die bereits laufenden Telematik-Investitionen von ÖBB und Asfinag. So
wird auf zahlreichen Autobahnabschnitten bei Stau, Glatteis, Nebel oder
Sturm die Geschwindigkeitsbeschränkung mittlerweile automatisch
heruntergesetzt. Die ÖBB haben mittels Sensoren und Satelliten in sensible
Zonen etwa ein Vorwarnsystem eingerichtet, das rechtzeitig vor Lawinen,
Steinschlag, Vermurungen oder Überschwemmungen warnt und hilft, Züge
rechtzeitig umzuleiten oder Ersatzverkehre einzurichten, den Strom
rechtzeitig abzuschalten und Folgeschäden zu reduzieren.