Die deutschen Industriefirmen wollen einer Umfrage zufolge ihre Abhängigkeit von China senken.
46 Prozent aller Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes beziehen bedeutsame Vorleistungen aus der Volksrepublik, wie das Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage mitteilte. "Von diesen Unternehmen plant fast jedes zweite, diese Importe aus China in Zukunft zu verringern", sagte die Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Lisandra Flach.
Die Unternehmen wollen demnach ihre Bezugsquellen stärker diversifizieren. Es geht darum, Kosten und Risiken in der Logistik verringern und sich gegen politische Unsicherheit rüsten.
"Die Bestrebungen deutscher Unternehmen könnten durch die deutsche und europäische Handelspolitik wirkungsvoll unterstützt werden", sagte Flach. So wäre wünschenswert, wenn sich die Bundesregierung auf EU-Ebene mit Nachdruck für eine zügige Ratifizierung des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten und für die Modernisierung des Handelsabkommens mit Mexiko für Deutschland einsetzte. "Auch den Verhandlungen der EU über Abkommen mit Australien oder Indien sollte eine hohe politische Bedeutung eingeräumt werden", sagte die Expertin. Auf diese Weise könnten europäische Unternehmen schnell einen verbesserten Marktzugang für diese Länder erhalten und somit die Zahl der Bezugsquellen vergrößern.
China ist seit 2016 der wichtigste Handelspartner Deutschlands: Zwischen beiden Ländern wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt. Einer Studie des Berliner Mercator Institute for China Studies (Merics) von Ende 2020 zufolge ist in der Elektronikbranche EU-weit die Abhängigkeit von Lieferungen aus China insgesamt am ausgeprägtesten, da viele Bausteine für High-Tech-Produkte wie Leiterplatten oder Dioden von China geliefert würden.
Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nehme als Zulieferer und Absatzmarkt eine wichtige, aber keinesfalls beherrschende Rolle ein, so das Ifo-Institut. "Allerdings ist Deutschland bei mehreren spezifischen Industriegütern und Rohstoffen abhängig von China", betonte Flach. Kopple sich Deutschland abrupt von der chinesischen Wirtschaft ab, würden spezifische und wichtige Lieferketten unterbrochen. "Deswegen ist es notwendig, sich verstärkt um Diversifizierung bei kritischen Gütern und Rohstoffen auf europäischer Ebene zu bemühen", sagte Ifo-Forscher Andreas Baur.
Als Lehre aus der Corona- und Russland-Krise spricht sich auch der Wirtschaftsweise Volker Wieland dafür aus, dass sich die deutschen Unternehmen stärker diversifizieren. "Die Unternehmen müssen sich breiter aufstellen, mit mehr Lieferanten und größerer Lagerhaltung - auch wenn das teurer ist", sagte der Ökonom der Nachrichtenagentur Reuters. "Es lohnt sich aber." Seit Beginn der Coronakrise machen gestörte Lieferketten insbesondere der deutschen Industrie zu schaffen, die auf Vorprodukte aus dem Ausland angewiesen ist und nun seit vielen Monaten mit Materialengpässen zu kämpfen hat. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit von russischem Gas. "Die deutsche Wirtschaft sollte Vorprodukte aus vielen unterschiedlichen Ländern beziehen", sagte Wieland. "Wenn man nur wenige Bezugsquellen hat, bleibt man sehr anfällig."