Den ertragsstärksten Autokonzern Europas wollte er bauen: Managerstar Carlos Ghosn hatte für Renault große Pläne. Doch es sollte anders kommen.
Die Oberklasse-Strategie floppte, Bündnispläne mit Ford und GM scheiterten, die Finanzkrise verhagelte die Erträge und das Engagement beim russischen Branchenprimus AvtoVAZ wird zum teuren Abenteuer.
Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem Elektroauto. Der Flitzer soll den Konzern zurück auf die Überholspur bringen. 2006 war "Super-Ghosn" noch voller Angriffslust. Mit 26 neuen Modellen wollte er die Fertigung bis 2009 um 800.000 auf 3,33 Mio. Autos hochtreiben wollen.
2010 sollte (mit den Töchtern Dacia und Samsung, aber ohne die Konzernschwester Nissan) die Marke von 4 Mio. geknackt werden. Zudem wollte Ghosn GM oder Ford in den Konzernverbund Renault-Nissan einbinden und damit Konkurrenten wie VW oder Toyota die Rücklichter zeigen.
Im Rückblick wirkt das Szenario wie ein Traum. Die Welt sieht nach der Finanzkrise anders aus. Im ersten Halbjahr 2009 setzte Renault nur 1,1 Mio. Autos ab, und auch das nur dank großzügiger Verschrottungsprämien. Zwar verteidigte die Marke ihre Marktstellung. Doch statt 6 % Rendite fuhr der Konzern 2,7 Mrd. Euro Verlust ein. Der Staat musste Renault mit 3 Mrd. Euro unter die Arme greifen. Den "american dream" verwirklicht jetzt Fiat und der Aufbruch in die Oberklasse ist gestoppt.
Der Absatz der einst revolutionären Großraumlimousine Espace brach seit Jahresbeginn um mehr als die Hälfte ein. Das Modell läuft aus und ein Nachfolger wird vorerst nicht entwickelt. Der Luxuswagen VelSatis, am Markt ähnlich erfolglos wie der Phaeton von VW, verschwindet ohne Nachfolger. Renault konzentriere die Entwicklung auf das E-Auto und die Motorenleistung.
Dacia stößt an Grenzen
Gut laufen in der Krise die Kompaktwagen und die Billigmodelle der rumänischen Tochter Dacia, mit der Renault die Schwellenländer erobern wollte. Doch auch Dacia stößt an Grenzen. Die Eröffnung des Werks in Tanger (Marokko) für 400.000 Autos der Marken Dacia und Nissan wurde von 2010 auf 2012 verschoben. Und der Riesenmarkt Iran erwies sich bisher als Fata Morgana.
Genauso wie Russland. 2007 hatte AvtoVAZ 771.000 Ladas verkauft und Ghosn sah den Einstieg 2008 beim Marktführer für eine Milliarde Dollar als Schlüssel zum Sprung in die Weltspitze. Er wollte AvtoVAZ sanieren wie einst Nissan und 2011 einen Lada mit Dacia-Technik auf den Markt bringen. Doch dieses Jahr schrumpft der russische Markt von 2,9 auf 1,4 Mio. Autos und die Lada-Produktion ist im freien Fall. AvtoVAZ muss mit Milliardensummen saniert werden und 27.000 der mehr als 100.000 Stellen im Werk Togliatti abbauen.
Und die Russen drängen Renaults Einfluss zurück. Ghosns Mann Yann Vincent musste als AvtoVAZ-Chef dem Russen Igor Komarow weichen. Regierungschef Wladimir Putin forderte ultimativ Sanierungshilfen und drohte, sonst den Anteil der Franzosen unter die Sperrminorität von 25 % zu senken. Ghosn gab nach. Renault könnte aber Technik und Lizenzen statt Geld beisteuern, erklären Konzernsprecher.
Jetzt wird eine Montagelinie von Lada, Renault und Nissan für 2012 anvisiert. Modelle der drei Marken könnten auf einer Plattform gebaut werden. Damit bewahrt Ghosn die Chance, Renault-Nissan mit AvtoVAZ in die Weltspitze zu führen. 2008 hatten Renault, Nissan und Lada 6,9 Mio. Autos abgesetzt - 700 000 mehr als die VW-Gruppe.
Ghosns große Zukunftsvision ist jedoch das E-Auto. Mit Renault und Nissan will er 4 Mrd. Euro in E-Autos investieren, um die Pole Position in der Zukunftstechnik zu erringen. Die Hybridtechnik, mit der Toyota der Konkurrenz davonspurtete, würde Ghosn am liebsten überspringen, auch wenn er einige Eisen im Feuer hat.
Dafür will er 2011 vier E-Autos auf den Markt bringen, darunter drei der Marke Renault. 2012 solle das erste E-Auto für den Massenmarkt, der Renault Zoe ZE, folgen, sagt eine Sprecherin. In Flins bei Paris soll zudem bis 2011 ein Werk für bis zu 250.000 Batterien entstehen. Renault positioniert sich, um im Zeitalter des Elektroautos der Konkurrenz voraus zu fahren. Der Markt muss nur Ghosns Vision folgen.