Jan Marsalek ist meistgesuchter Wirtschaftsboss. Spuren führen nach Weißrussland & Russland.
München/Minsk. Längst ist der Krimi um Marsalek ein globaler Thriller: „Ich kann mir vorstellen, dass ihm das sogar gefällt“, sagt seine Mutter dem deutschen Magazin Spiegel und schimpft: „Er ist ein präpotenter Zampano.“
Marsalek, ein Wiener Schulabbrecher ohne Matura oder Studium, war Vize des deutschen DAX-Konzerns Wirecard in München, ein Finanzdienstleister. Sein Leben – Luxus. Privatjets, Villa, Partys in St. Tropez, engste Kontakte zu Agenten des russischen Geheimdiensts, aber auch zum BVT in Österreich. Ex-FPÖ-Mann Gudenus kennt ihn, Strache empfing ihn in seinem Büro. Nationalbankpräsident Sobotka traf er 2017 in Moskau.
Vier österreichische Pässe & ein Diplomaten-Pass
Untergetaucht. Mitte Juni krachte Wirecard zusammen. Seither suchen Fahnder 1,9 Milliarden und Jan Marsalek.
Marsalek besaß (laut Rechercheplattform Bellingcat) vier österreichische Pässe. Zwei anderer Nationen. Einen Diplomaten-Pass.
Fahndung. Wirecard-Oberboss Markus Braun, auch ein Wiener, wurde verhaftet. Ging aber gegen eine Kaution von fünf Millionen frei. Sein Vize hingegen verschwand. Zuvor hinterließ Marsalek falsche Hinweise. Er kaufte Flugtickets, ließ Komplizen auf den Philippinen Daten fälschen. In Fake-Chats mit Ex-Kollegen gab er an, dass er sich in Ostasien befinde oder auf einer Insel Cocktails trinke.
Im Privatjet. Fakt ist laut Recherchen von Bellingcat und Spiegel: Am 18. Juni ist Marsalek nach Minsk in Weißrussland geflogen. Laut Eintrag in einer Datenbank kam er am 19. Juni kurz nach Mitternacht mit einem Privatjet aus Estlands Hauptstadt Tallinn an.
Austro-Connection. Spannend ist: Der Jet ist eine Embraer 650 Legacy. Er flog an diesem Tag von Klagenfurt nach Tallinn und weiter nach Minsk. Die Maschine gehört einer Wiener Charter-Jet-Leasinggesellschaft. Vermutlich nahm Marsalek einen Heli, um am 18. Juni von München nach Klagenfurt zu kommen. Oder er flog via Frankfurt nach Estland, bestieg den Jet dort.
Weiter nach Russland. Inzwischen soll Marsalek auf einem Anwesen bei Moskau sein, unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes GRU, berichtete das Handelsblatt am Sonntagabend. Dem GRU sei es wegen des Konflikts zwischen der russischen Führung und Weißrusslands Diktator Lukaschenko zu riskant gewesen, Marsalek im Nachbarland zu belassen. Deshalb habe man ihn nach Russland geschafft.
(wek)