Solarbranche taucht aus leichtem Krisentief auf

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Die Wirtschaftskrise hat 2009 auch die weltweite Solarbranche erwischt. Andere Themen stehen nun verstärkt im Fokus der Politik und Öffentlichkeit. Das schlage sich heuer in den Fördersummen und den Büchern der Sonnenkraft-Unternehmen nieder, schreibt die Boston Consulting Group (BCG). Bei entsprechenden Rahmenbedingungen spreche aber nichts dagegen, dass die Wachstumsraten in der "Nach-Krisen-Zeit" wieder auf 30 % jährlich steigen könnten.

Vor allem die drastische Subventionskürzung in Spanien, einem der wichtigsten Märkte für Solartechnik, sorgt seit Ende 2008 für einen deutlichen Rückgang der Nachfrage. Zudem bringt der offensive Ausbau der Kapazitäten in China einen deutlichen Preisverfall mit sich. Der Preis für Solarmodule ist heuer laut BCG gegenüber den Spitzenwerten der vergangenen Jahre um 40 % gefallen.

Das trifft besonders die Unternehmen hart, die ihre Finanzierungen weiter mit einem rasanten Wachstum kalkuliert haben. "Einige Firmen werden ganz vom Markt verschwinden", ist sich BCG sicher. Die Entwicklung spiegle sich bereits seit Monaten in den Geschäftsergebnissen und Börsenkursen wider.

Deutschland baut weiter aus

Der österreichische Bundesverband Photovoltaik sieht die Krise für den weltweiten Ausbau nur bedingt von Bedeutung. In Deutschland etwa wird 2009 die Neuanschlussleistung voraussichtlich bei 2 GW liegen. "Das ist zumindest Europarekord", meint Hans Kronberger, Obmann des PV-Verbands. In Deutschland hat man zu viel Angst vor einer neuen Regierung gehabt. Das Bekenntnis zu den Erneuerbaren besteht weiterhin, hat sich nun herausgestellt. Und über Überförderungen darf man diskutieren, weil das auf lange Sicht einer Branche schade.

Die vor allem internationalen Unternehmen, die heuer unter Druck geraten sind, haben laut dem Experten wohl die falsche Strategie gewählt, wie etwa beim Einkauf von Silizium auf langfristige Verträge oder kurzfristig auf tiefe Preise zu setzen. Die deutschen Solarspezialisten würden durchgehend melden, dass die Nachfrage nach wie vor sehr gut sei, allein die Finanzierungen seien nicht zu bekommen. Die Klemme der Banken mache sich da schmerzhaft bemerkbar.

Seit Sommer brummt der Markt wieder

Im ersten Halbjahr 2009 hat es aus Angst vor der Krise kein Geld gegeben, jetzt werde wieder massiv investiert und gefördert. "Das Pendel hat im Sommer plötzlich in die andere Richtung ausgeschlagen. Wir machen jetzt in einem Monat so viel Umsatz wie in der ganzen ersten Hälfte 2009 (rund 7 Mio. Euro)", erklärt Robert Kanduth, Vorstand des Kärntner PV-Modulherstellers Kioto Clear Energy. Momentan werde 24 Stunden produziert, um die Nachfrage befriedigen zu können.

Trotz brummenden Geschäfts sieht das Kanduth aber auch skeptisch. Unternehmen können kaum planen und kalkulieren. Das spiegle sich nicht nur in den Büchern wider, auch die Mitarbeiter würden permanent verunsichert. Er wünscht sich daher mehr Augenmaß und Konstanz bei den Förderzusagen. Momentan sei der Markt "überausgelastet", die Preisentwicklung würde sich daher als sehr volatil zeigen.

"Die Modulhersteller hat die Flaute im ersten Halbjahr sicher getroffen, besonders des Wegbrechen des spanischen Markts. Bei uns als Zulieferer war kaum etwas zu spüren", erklärt Bernhard Kolouch, Marketingleiter der Sparte Solarelektronik bei dem international tätigen Elektrotechnikunternehmen Fronius. Die Modulhersteller hätten in den Jahren 2007 und 2008 Überkapazitäten aufgebaut. 2009 sei es dann aufgrund der Wirtschaftskrise und des langen Winters zu Einbrüchen gekommen und einige Unternehmen konnten ihre Zahlungen nicht mehr bedienen. Besonders bei Großprojekten habe es eine Finanzklemme gegeben.

Das Wechselrichter-Geschäft von Fronius habe das nicht tangiert, so Kolouch. Im Gegenteil, es laufe immens gut: "Wir sind die nächsten Monate ausverkauft und werden 2010 unsere Kapazitäten von etwa 750.000 MW auf 1,4 GW fast verdoppeln." Dafür werde natürlich in die Produktion investiert und 250 neue Mitarbeiter angestellt. Besonders gut laufe es in Deutschland.

Dezentraler Sonnenstrom bis 2012 auf Marktniveau

Neben der allgegenwärtigen Wirtschaftskrise ortet BCG im noch immer zu hohen Preis für Solarstrom das essenzielle Problem der Branche. "Um in der zentralen Stromproduktion wettbewerbsfähig zu sein, müssten die Preise für Solarstrom um rund zwei Drittel sinken. In den nächsten 5-10 Jahren wird daher sowohl der Einsatz von Photovoltaik als auch von Solarthermie für die zentrale Energiegewinnung nur mit staatlichen Subventionen möglich sein", ist Markus Wanko, Principal bei BCG überzeugt.

Bei der dezentralen Versorgung sieht es da ganz anders aus. Die Produktionskosten müssten wohl immer noch um 30-50 % reduziert werden, um mit den Preisen für konventionelle Elektrizität mithalten zu können. Das hält BCG aber für rasch realisierbar. "Wir erwarten, dass die Solarbranche dieses Ziel in Märkten mit viel Sonne und hohen Strompreisen, wie Italien, Kalifornien und Japan, schon ab 2012 erreichen wird", meint Wanko.

Forschung und Entwicklung

Die Schlüssel zur Kostenreduktion seien Wettbewerb sowie Forschung und Entwicklung. Bereits jetzt wachse die Vielfalt an Solartechnologien stetig, gleichzeitig werde die Konkurrenz aus Niedriglohnländern heftiger. Auf diese Weise würden sich Materialengpässe verringern. So wird etwa Polysilizium, ein Kernbestandteil der meisten Sonnenkollektoren und bisher maßgeblich preisbestimmend, laut BCG-Studie schon bald kein relevanter Kostentreiber mehr sein. "Bisher wurden die größten Margen vor allem am Anfang der Wertschöpfungskette erzielt. Momentan erreichen jedoch Unternehmen, die näher an den Endprodukten sind, höhere Gewinnspannen", erläutert Rainer Reich, Senior Partner bei BCG. Gleichzeitig schreite die Marktintegration flott voran, was die Margen weiter stabilisieren werde.

Die Preise für Polysilizium könnten sich laut BCG in den nächsten drei Jahren fast halbieren. Derzeit werde vor allem in Langfrist-Verträgen zwischen 70 und 155 Dollar pro Kilogramm Rohstoff bezahlt. 2012 sollen es nur noch 30-40 Dollar sein.

Politik macht das Wachstum

Die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Branche werde aber nach wie vor von der Politik bestimmt. Dabei sei die Rolle der solarthermischen Kraftwerke, welche auf der Konzentration von Sonnenenergie durch Spiegel beruhen, noch schwer abschätzbar. Das etwa fünfmal so große und bereits etablierte Segment Photovoltaik könnte in Ländern, die weiter staatliche Fördergelder zur Verfügung stellen, in den nächsten Jahren Wachstumsraten von rund 30 % verzeichnen. In anderen Studien ist die Rede von sogar 45 %. Ab 2015 erwarten die BCG-Experten dann ein etwas gebremsteres Wachstum von jährlich rund 20 %.

Die größten Märkte für Solartechnik im Jahr 2008 waren Spanien und Deutschland. Während Spanien, der Wachstumschampion der vergangenen zwei Jahre, jedoch massiv an Bedeutung verloren hat, könnten die USA schon in wenigen Jahren an Branchenprimus Deutschland vorbeiziehen, analysieren die Marktbeobachter. Auch in Italien sowie in Schwellenländern wie China (und möglicherweise Indien) werde die Bedeutung von Photovoltaik in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Die Leistung aller PV-Anlagen weltweit könnte sich der Studie zufolge bis 2015 von derzeit 22 auf rund 116 GW mehr als verfünffachen.

Noch sei aber nicht klar, wer von diesem Wachstum letztlich profitieren werde. "Vor allem die heutigen Schwergewichte unter den Solarspezialisten müssen ihr historisches Geschäftsmodell überdenken sowie Kooperationen und Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen in Betracht ziehen. Denn viele von ihnen sind nicht in der Lage, in ihrer heutigen Form die aktuell schwierige Situation zu überstehen", erläutert Wanko. Für manche Technologiekonzerne könnte die angespannte Lage der Solarbranche dagegen die Chance bieten, durch strategische Akquisitionen in den Markt einzusteigen oder ihren Marktanteil zu vergrößern.

Wer bleibt ernsthaft dabei?

Laut BCG müssten die Versorger gerade jetzt prüfen, inwieweit sie sich in einem Segment engagieren wollen, das in hohem Maße auf staatliche Zuwendungen angewiesen ist. Die Unternehmensberater warnen aber vor einem voreiligen Ausstieg: "Wer jetzt aussteigt, läuft Gefahr, einen Imageschaden zu erleiden, seine Beziehungen zur Politik zu belasten und den Trend zu erneuerbaren Energien schlicht zu verschlafen."

Öl- und Gaskonzerne, die bisher nur mit kleinen Projekten in der Solarbranche zwecks Imagegründen engagiert waren, würden an einem Scheidepunkt stehen: Entweder sie steigen tatsächlich in das Geschäft mit der Sonnenenergie ein, oder sie ziehen sich vollständig zurück. "Die Regierungen schließlich sind gefordert, sich ein tiefgehendes Verständnis der Solarindustrie anzueignen. Die Logik einer Technologie, mit der ohne Belastung der Umwelt eine Fläche von der Größe Österreichs in der Wüste die Welt mit Energie versorgen könnte, ist unbestreitbar. Aber plötzliche regulatorische Kurswechsel wie zuletzt in Spanien schaden der Entwicklung erheblich", wird künftig eine klare, konsistente Linie von der öffentlichen Hand erwartet.

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