Pflegegeld: Extreme Unterschiede zwischen Ländern

Teilen

Bei der Gewährung von Pflegegeld und der Einstufung des Pflegegrads gibt es zwischen den Bundesländern extreme Unterschiede. So ist etwa der Anteil der Pflegegeldempfänger in Stufe 6 in Vorarlberg knapp dreimal so hoch wie im Bundesschnitt. Bei den Auszahlungen stellte der Rechnungshof (RH) in einem aktuellen Prüfbericht Unterschiede von bis zu 30 Prozent fest. Kritisiert wird darin auch die Qualität der ärztlichen Gutachten. Hier bestünde "erheblicher Verbesserungsbedarf". Positiv ist, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer mehr als halbiert wurde.

Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) betreut rund drei Viertel aller Bundespflegegeldbezieher. Der RH prüfte den Vollzugs des Bundespflegegeldgesetzes durch die PVA im Zeitraum 2005 bis 2007 und stellte dabei hinsichtlich der Antragstellung, der Einstufungen und der Klagen "beträchtliche regionale Unterschiede" fest.

So wurden in der Landesstelle Wien um etwa 50 Prozent mehr Anträge auf Neugewährung von Pflegegeld gestellt als in Vorarlberg, was Mehrkosten von rund 0,90 Mio. Euro verursachte. Der Anteil der Pflegegeldempfänger in Stufe 6 war in Vorarlberg knapp dreimal so hoch wie im Bundesschnitt, die durchschnittliche Auszahlung pro Bezieher (5.572 Euro) war im westlichsten Bundesland dementsprechend um rund 28 Prozent oder 1.200 Euro pro Jahr höher als in Wien (4.354). Das verursachte Mehrkosten von rund sieben Mio. Euro.

In Kärnten war wiederum der Anteil der Pflegegeldbezieher an den Pensionisten (20,3 Prozent) um etwa 33 Prozent höher als in Vorarlberg (15,3 Prozent), was 10,4 Mio. Euro zusätzlich kostete. In Tirol wurden 2007 im Schnitt dreimal so oft Ablehnungsentscheidungen gerichtlich revidiert wie in der Steiermark.

Da die Rechtslage zur Ermittlung des Pflegebedarfs mittlerweile eine hohe Komplexität erreicht habe, empfiehlt der RH die Einstufungskriterien genauer zu definieren sowie besonderen Wert auf eine einheitliche und gründliche Schulung der Gutachter sowie auf die rechtliche Kontrolle der Gutachten zu legen, um dadurch für einen einheitlichen Vollzug zu sorgen.

Positiv ist, dass im Zuge der Fusion der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Angestellten 2003, die Verfahrensdauer von rund 130 Tagen 2004 bis 2007 auf rund 60 Tage verkürzt wurde. Nur etwa 14 Prozent der Verfahren dauerten länger als drei Monate, nur rund 2,5 Prozent länger als sechs Monate.

RH-Kritik an ärztlichen Gutachten

Verbesserungsbedarf ortet der Rechnungshof auch bei den ärztlichen Gutachten. Es fehlten Standards für die Auswahl und Einschulung der Gutachter. Auch die Auslastung und damit die Honorare seien völlig unterschiedlich. So hat bei einer Landesstelle das Honorar für zwei Ärzte 81 Prozent des Gesamthonorars für Begutachtungen betragen.

Mehr als 400 Ärzte erstellten im Jahr 2007 rund 107.000 Gutachten. Neun Ärzte verrechneten der PVA ein Honorar von mehr als 80.000 Euro, die höchste Honorarsumme betrug rund 157.000 Euro. Bei einer Landesstelle betrug das Honorar für zwei Ärzte 81 Prozent des Gesamthonorars, bei einer anderen Landesstelle bezogen zwei Ärzte 73 Prozent des Gesamthonorars.

Einerseits erstellten 50 Allgemeinmediziner weniger als 100 Gutachten, andererseits erstellte ein einzelner Arzt bis zu 18 Gutachten pro Tag. Ein anderer Arzt nahm zehn Begutachtungen an einem Sonntag bzw. bis zu 13 Begutachtungen an einem Feiertag vor. Der RH empfiehlt der PVA, für eine ausgewogene Verteilung der Begutachtungsaufträge zu sorgen, um das Risiko eines Begutachterengpasses bei Ausfall eines Arztes zu minimieren.

Ähnliche Kritik üben die Prüfer auch bezüglich der Kilometergeld-Abrechnungen. Im Jahr 2007 verrechneten die externen Ärzte der PVA für insgesamt 2,2 Mio. km rund 1,60 Mio. Euro an Kilometergeld. Im Schnitt stellte ein Arzt pro Gutachten 22 km in Rechnung und erhielt dafür rund 16 Euro. Insgesamt kostete ein durchschnittliches Gutachten damit etwa 70 Euro.

Ein Arzt, der die meisten Kilometer pro Gutachten verrechnete, fuhr 115,2 km pro Gutachten - fünfmal so viel wie der Durchschnitt - und erhielt dafür rund 84 Euro allein an Kilometergeld. In einem anderen Fall fuhr ein Arzt in einer Woche viermal in ein und denselben Ort, um jeweils nur einen einzigen Hausbesuch zu absolvieren, anstatt diese Begutachtungen an einem Tag zu erledigen. Die PVA kündigte noch während der Gebarungsüberprüfung an, diesem Arzt keine Begutachtungsaufträge mehr zu erteilen.

Die Auswahl der externen ärztlichen Gutachter erfolgte "hauptsächlich durch Weiterempfehlung", so der RH weiter. Die Kriterien zur Auswahl waren weder einheitlich schriftlich festgelegt, noch gab es Vorgaben bezüglich ihrer Dokumentation. In der Regel gaben die externen ärztlichen Gutachter vor Beginn ihrer Tätigkeit nur ihre Stammdaten bekannt. Es gab weder eine Verpflichtung zur Information über Nebentätigkeiten oder zur Bekanntgabe von krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit noch eindeutige Befangenheitsregeln. Die Vorgangsweise bei der Einschulung war nicht standardisiert. Der RH empfiehlt, diesbezügliche Regelungen einzuführen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.