Der Poker um die AUA-Übernahme durch die Deutsche Lufthansa hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Verkauf ist nun tatsächlich vom Scheitern bedroht, eine zeitgerechte Genehmigung bis Ende Juli wird immer unwahrscheinlicher, wie aus Äußerungen der EU-Wettbewerbshüter in den laufenden Verhandlungen zum Verzicht auf Streckenrechte hervorgeht.
In der EU-Kommission langte Freitagnachmittag (10. Juli) doch noch ein formeller Vorschlag der Lufthansa zur Abgabe von Streckenrechten als Zugeständnis für die geplante Übernahme der Austrian Airlines (AUA) ein. Laut Kommission handelt es sich aber um inhaltlich um das gleiche Papier, das schon zuvor auf informellem Weg zur Brüsseler Behörde gekommen ist. Das bedeutet, dass Lufthansa bis dato keine wie von der Kommission verlangten weiteren Verbesserungen angeboten hat.
Die Haltung der EU-Kommission sei damit unverändert, hieß es. Der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, Jonathan Todd, hatte kritisiert, dass das eingelangte informelle Schreiben im Rahmen des vertieften Verfahrens "schlechter" sei als was bis dahin angeboten wurde. Sollte es hier keine Nachbesserungen geben, sei es unmöglich, zu einer Entscheidung bis Ende Juli zu kommen.
Dies ist aber für die AUA praktisch überlebenswichtig. Das Angebot der Lufthansa endet am 31. Juli. Ob die deutsche Airline in dem Poker mit der Kommission Anfang kommender Woche weitere Zugeständnisse macht, wie Brüssel fordert, um grünes Licht für den Deal geben zu können, ist unklar.
Die Lufthansa habe immer wieder angekündigt, dass sie eine Entscheidung bis Ende Juli wolle. Aber auf Basis dieser vorliegenden Informationen werde dies nicht möglich sein, sagte Todd. Die Kommission sehe die Chancen für eine schnelle Entscheidung rasch schwinden. Todd bedauerte, dass die Lufthansa "einen Schritt nach vor und zwei zurück" gemacht habe. "Das ist sehr schwer zu verstehen".
Noch hätten die Deutschen etwas Zeit, der Kommission weitere Strecken-Zugeständnisse einzureichen, freilich nicht mehr viel: "Wenn wir nicht innerhalb der nächsten Stunden konkrete Zugeständnisse von Lufthansa erhalten haben", werde es unmöglich sein, zu einer Wettbewerbsentscheidung bis Ende Juli zu kommen, sagte Todd.
"Wunder" notwendig
Offenbar rechnet die Kommission selbst nicht mehr, dass es dazu kommt. Todd sagte, es müsste schon "ein Wunder passieren". Die Kommission würde aber auf jeden Fall über den Deal vor Ablauf der 90-Tage-Frist entscheiden.
Gestritten wird um das Ausmaß der von Brüssel verlangten Abgabe von Streckenrechten, um zu große Dominanz auf einzelnen Destinationen zu vermeiden. Mit Zähnen und Klauen verteidigen wollten die Deutschen unter anderem die rentablen und prestigeträchtigen "Slots" zwischen Wien und Frankfurt.
Zuletzt hatte EU-Wettbewerbskommissarin Kroes eine vertiefte Prüfung eingeleitet, die bis zu 90 Arbeitstage und damit theoretisch bis 6. November dauern könnte. Damit ist es für die Verkäufer (allen voran die ÖIAG in Österreich) und Käufer (Lufthansa) schon eng geworden: Denn sollte diese Frist ausgeschöpft werden, wäre dies das Ende des Deals, da die Lufthansa ihr Angebot für eine Übernahme der AUA nur bis 31. Juli aufrecht hält. Platzt der Deal mit den Deutschen, wäre die AUA in ihrer heutigen form Geschichte. In den jetzigen Dimensionen ist die defizitäre österreichische Airline, die gerade die Streichung von 1.000 der knapp 8.000 Stellen bekannt gegeben hat, allein nicht überlebensfähig.
Warten notfalls bis Montag früh
Die EU-Kommission will nun doch notfalls auch bis Montag (13. Juli) früh auf neue Vorschläge von der Lufthansa für die geplante Übernahme der Austrian Airlines (AUA) warten. Zuvor hatte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, Jonathan Todd, erklärt, wenn es nicht "innerhalb der nächsten Stunden konkrete Zugeständniss von Lufthansa" gebe, werde es unmöglich sein, zu einer Entscheidung bis Ende Juli zu kommen.
Auf Anfrage der APA hieß es in der Kommission, bis dato sei kein weiterer Vorschlag von Lufthansa eingelangt. Aber die deutsche Fluglinie könne "alle erforderlichen Nachbesserungen auch bis Montag früh vorlegen". Eine Art formale Deadline gebe es natürlich keine, ab der man sagen könne, dass es zu spät sei, noch im Juli eine Entscheidung zu treffen. Unabhängig davon werde die Kommission aber ihre vertiefte Prüfung fortsetzen.
Was die zuletzt von der Kommission kritisierten jüngsten Vorschläge der Lufthansa im Rahmen des vertieften wettbewerbsrechtlichen Verfahrens betrifft, die laut Todd schlechter waren als das was bis dahin auf dem Tisch gelegen ist, hieß es, es gehe vor allem um die Strecken von Wien aus. Konkrete Angaben wurden aber keine gemacht.
LH: Sind ans Maximum gegangen
Die Deutsche Lufthansa (LH) hat sich im Kaufvertrag mit der AUA vorbehalten, die Übernahme bleiben zu lassen, falls bis zum 31. Juli keine Genehmigung aus Brüssel vorliegt. Der EU-Kommision reichen die bisher angebotenen Zugeständnisse der Deutschen (Streckenkürzungen etc.) nicht aus. Sie hat der Lufthansa ein Ultimatum von wenigen Stunden gestellt.
In der Deutschen Lufthansa gab es inhaltlich dazu keine offizielle Stellungnahme, weil man bisher nur die Agenturberichte zu den Kommissionsäußerungen vorliegen habe. Allerdings erklärte die Lufthansa, dass man schon beim ersten Angebot an Brüssel in der Phase-I-Prüfung weitreichende Zugeständnisse machte. Da sei man schon "ans maximal Mögliche" gegangen, so Lufthansa-Sprecherin Stefanie Stotz zur APA.
In der jetzt laufenden Phase-II-Prüfung habe man weitere (andere) Zugeständnisse eingereicht, und zwar schon am Mittwoch dieser Woche (8. Juli), wie aus dem Lufthansa-Konzern verlautete.
Ob die EU-Kommission zu viel fordert, beantwortete die Airline-Sprecherin mit dem Hinweis darauf, dass man mit der AUA im Deutschlandgeschäft ja schon viele Jahre kooperiere, das diesbezügliche Joint Venture bereits unter Auflagen in Kraft gesetzt worden sei. In diesem Bereich sei der Wettbewerb ja bereits verschärft, argumentiert die Lufthansa.
Ob man den Deal damit vorm Scheitern sieht? "Wir stehen zu unserem Wort", sagte die Lufthansa-Sprecherin unter Verweis auf das geltende Übernahmeangebot. Das Angebot stehe unter der Bedingung, dass die Freigaben durch die EU-Kommission bis 31. Juli erfolgt sind. Bis dahin seien es noch rund drei Wochen.
Betriebsrat glaubt an LH-Deal
AUA-Bodenbetriebsratschef Alfred Junghans "glaubt und hofft" weiterhin, dass der Verkauf an die Deutsche Lufthansa (LH) vor der EU-Kommission durchgeht. Spekulationen, wonach man es auf eine Insolvenz der AUA ankommen lassen könnte - also eine Übernahme ohne Schulden - hält er für gefährlich. Dem Airline-Unternehmer Niki Lauda wirft er im APA-Gespräch "Heuchelei" vor.
Lauda hatte in einem "Offenen Brief" an die AUA-Mitarbeiter in der heutigen Ausgabe der "Kronen Zeitung" erklärt: "Ich war von Anfang an ein Befürworter der AUA-Lufthansa-Lösung und hoffe, dass diese bald genehmigt wird." "Warum interveniert er dann seit Wochen persönlich dagegen?", fragt sich Junghans.
Lauda bekräftigte in dem Offenen Brief, dass er für seine Airline Niki bis Ende des Jahres mindestens 150 Airline-erfahrene Mitarbeiter aus allen Bereichen suche. Sein "Aufruf" gelte gleichermaßen für AUA-, Lauda- und Tyrolean-Mitarbeiter. Wie berichtet baut die AUA-Gruppe bis Mitte 2010 rund 1.000 Leute ab, davon bis zu 400 bei Tyrolean. Zur Stunde laufen Gespräche über das "Tyrolean"-Sparpaket.
Der AUA-Betriebsrat hat in einem Brief an "Krone"-Chefredakteur Christoph Dichand eine Antwort auf Laudas offenen Brief verfasst, namens der derzeit "sehr verunsicherten Kollegenschaft". Darin geisselt Junghans die Praxis Laudas, die Beschäftigten bei seiner Billigairline FlyNiki über eine Personalleasingfirma zu beschäftigen. Abermals macht er die seinerzeitige Übernahme der Lauda Air mit damals 600 Mio. Euro Schulden mitverantwortlich für den heutigen Zustand der AUA. Damals habe ein unmittelbar drohender Lauda-Air-Konkurs vermieden werden können. Was im Sinne der Mitarbeiter zu befürworten war, so Junghans. An den damit verbundenen Flugzeugfinanzierungen zahle die AUA immer noch.
Am 14. Juli, also kommenden Dienstag, um 11 Uhr findet eine vor dem Lufthans-Closing erforderliche Sonder-Hauptversammlung statt. Dabei geht es um eine Kapitalerhöhung um bis zu 132,2 Mio. Euro durch Ausgabe von 44,07 Millionen jungen Aktien sowie Satzungsänderungen (Erhalt der Marke "Austrian", Wien als Sitz der Gesellschaft etc), sowie neue Organ-Strukturen, die mit dem bevorstehenden Einstieg der Deutschen Lufthansa zu tun haben. Alles vorbehaltlich, dass der Deal mit der Lufthansa in Brüssl glatt durchgeht.
Unmittelbar vor der HV findet eine Sitzung der Aufsichtsräte statt. Ob bis dahin die Hängepartie mit Brüssel schon zu Ende ist, ist derzeit nicht abzusehen.