Coronavirus

Anschober: "Auch bei 2.500 Corona-Fällen kein Lockdown"

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Anschober im ÖSTERREICH-Talk: Weit entfernt von Spitals-Kollaps ++ Ziel: Halbierung der Fälle.

Wien. Gesundheitsminister Rudi Anschober im großen ÖSTERREICH-Interview.
 
ÖSTERREICH: Wie sehen Sie die Corona-Situation – 714 neue Fälle waren es am Samstag.
 
RUDOLF ANSCHOBER: Der starke Anstieg beginnend mit 7. und 8. September war sehr beunruhigend. Jetzt haben wir es geschafft, diesen Anstieg zu stoppen und – auf noch zu hohem Niveau – die Infektionszahlen zu stabilisieren.
 
ÖSTERREICH: Warum, glauben Sie, ging es so nach oben?

ANSCHOBER: Eine Verbindung aus Reiserückkehrern mit regionalen Clustern. Dann Après-Sport-Partys nach regionalen Sportevents. Dazu kommen Umgehungen der Sperrstunden durch geschlossene Gesellschaften und private Feiern.
 
ÖSTERREICH: Befürchten Sie weitere Steigerungen?
 
ANSCHOBER: Wir haben jetzt seit einer Woche eine gewisse Stabilisierung geschafft. Aber wir müssen die Infektionszahlen wieder deutlich absenken.
 
ÖSTERREICH: Was ist realistisch, damit Wien und Co den roten Status im Ausland wieder verlieren?
 
ANSCHOBER: Das muss in Richtung Halbierung gehen.
 
ÖSTERREICH: Pro Tag nicht mehr als 300, 350 neue Fälle?
 
ANSCHOBER: Genau. Dann hätten wir Luft für die Infektionsphase in Herbst und Winter, wenn alle indoor sind.
 
ÖSTERREICH: Hat die Stabilisierung mit diesen schärferen Maßnahmen zu tun?
 
ANSCHOBER: Noch nicht, es gibt immer einen Nachlauf von zwei bis drei Wochen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Zahlen deshalb in der ersten Oktober-Hälfte wieder deutlich sinken.
 
ÖSTERREICH: Jetzt ist also der entscheidende Moment?
 
ANSCHOBER: Wir sind bei einer Weggabelung. Best ­Case: Stabilisierung und schrittweisen Verbesserung. Worst Case: täglich 2.500 Fälle.
 
ÖSTERREICH: Und das wäre dann ein Lockdown?
 
ANSCHOBER: Nein, den werden und wollen wir mit aller Kraft vermeiden.
 
ÖSTERREICH: Aber ab wann wäre dann ein zweiter Lockdown wirklich nötig?
 
ANSCHOBER: Wenn wir völlig die Kontrolle verlieren. Und wenn das Spitalssystem kollabiert – so ist das auch im Covid-Gesetz festgelegt. Davon sind wir aber weit entfernt.
 
ÖSTERREICH: Das Covid-Gesetz mit der Ampel gilt jetzt. Und jedes Land tut etwas anderes. Das ist doch chaotisch.
 
ANSCHOBER: Nein, wir haben zentrale klare Bundesmaßnahmen vom Mundnasenschutz bis zu kleinen Veranstaltungen. Dazu braucht es jetzt regionale Zusatzmaßnahmen in Gebieten mit erhöhtem Risiko, die gezielt auf das regionale Ausbruchsgeschehen abgestimmt sind.
 
ÖSTERREICH: Warum haben Sie die Ampel nicht im Sommer beschlossen, dann hätte sie im September geklappt?
 
ANSCHOBER: Wir haben sie Ende Juli beschlossen und im August vorbereitet. Unsere Ampel ist eine bisher einzigartige Form der Risikoanalyse, die für uns noch sehr wichtig werden wird.
 
ÖSTERREICH: Der Kanzler hat zugegeben, er hätte gerne früher schärfere Maßnahmen gehabt. Ein offener Konflikt?
 
ANSCHOBER: Es gibt immer wieder in einer Koalition Situationen, in denen man zwar dasselbe will, es aber Diskussionen über den Zeitpunkt gibt. Und das haben wir bisher immer sehr gut gemeinsam geschafft. Österreich ist bisher gut durch die Krise gekommen.
 
ÖSTERREICH: Es gab doch die Ansicht, der Kanzler habe die Ampel ausgebremst mit den neuen Verschärfungen.
 
ANSCHOBER: Nein, wir agieren in dieser schwersten Gesundheitskrise sehr gut abgestimmt als Team.
 
ÖSTERREICH: Zu den Tests: Warum schaffen es die Länder nicht, Ihr Limit von 48 Stunden vom Test bis zum Ergebnis einzuhalten?
 
ANSCHOBER: Die meisten schaffen es mittlerweile. Wir haben im Sommer Gespräche mit den Ländern geführt und es war klar, es braucht personelle Aufstockungen. Das haben manche sehr gut geschafft. Vorarlberg schafft es vom Test bis zum Bescheid in 20 Stunden. Das ist toll.
 
ÖSTERREICH: Wien stockt erst jetzt auf, die haben es also irgendwie verpasst.
 
ANSCHOBER: Ich hätte mir im Fall von Wien eine frühere starke Aufstockung des Personals gewünscht. Denn es ist eine enorme Herausforderung für die Wiener Gesundheitsbehörden – bei 300 bis 400 Fällen täglich mit 30 Kontaktpersonen.
 
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