Coronavirus

Faktencheck: Ist die Corona-Impfung gefährlicher als andere?

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Impf-Skeptiker verweisen auf die hohe Anzahl von Nebenwirkungen und Todesfällen. Aber stimmt das auch?

In den letzten Wochen wurden in Sozialen Medien Vergleiche zwischen den gemeldeten Nebenwirkungen nach Corona-Impfungen und den gemeldeten Nebenwirkungen aller anderen Impfungen der letzten Jahrzehnte gezogen. Tabellen zufolge habe es zwischen 2003 und 2019 in Deutschland bei 625 Mio. Impfdosen 456 Todesfälle gegeben. 92.376.787 Corona-Impfdosen hätten dagegen viel mehr Todesfälle gebracht, so die Behauptung. Impfkritiker sprechen von "erschreckenden Daten".

Einschätzung: Bei den Zahlen handelt es sich um gemeldete Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung. Sicherheitsbedenken lassen sich nicht daraus ableiten. Dem aktuellen Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zufolge gibt es in Deutschland 1.450 Verdachtsfallmeldungen von Todesfällen nach der Corona-Impfung. Dem vorherigen Bericht zufolge wird nur in 48 Fällen ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung für möglich oder wahrscheinlich gehalten. Die große Anzahl an Impfungen in einem kurzen Zeitraum, die Personengruppe sowie das große öffentliche Interesse an den neuen Corona-Impfungen müssen in die Beurteilung einfließen.

Überprüfung: So wie in Österreich das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) veröffentlicht auch das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in regelmäßigen Abständen Berichte über alle in Deutschland gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, Impfkomplikationen und Todesfällen, die in zeitlichem Zusammenhang zur Corona-Impfung stehen.

Einige Impfkritiker beziehen sich auf den PEI-Bericht vom 19. August 2021. Dem Bericht zufolge lagen bis dahin 1.254 Meldungen über einen tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Corona-Impfung vor. Aktuell  sind es 1.450 Verdachtsfallmeldungen von Todesfällen.

Mögliche Risiken

Die nackte Zahl an Verdachtsfallmeldungen erlaubt jedoch noch keine Aussage über mögliche Risiken der Impfstoffe: "Nicht jede Reaktion, die nach einer Impfung auftritt und als Verdacht einer Nebenwirkung oder Impfkomplikation gemeldet wird, ist gleichbedeutend mit von dem jeweiligen Impfstoff verursachten körperlichen Beschwerden. Krankheiten oder körperliches Unwohlsein und auch Todesfälle treten auch unabhängig von Impfungen auf", sagte dazu eine Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) nach einer gemeinsamen Anfrage der APA und dpa.

Wie sich dem Bericht zudem entnehmen lässt, hält das PEI nur in 48 Fällen einen ursächlichen Zusammenhang des Todesfalls mit der Impfung für möglich oder wahrscheinlich. Nichts deute auf eine insgesamt erhöhte Sterblichkeit nach der Gabe der Impfstoffe hin.

Tatsächlich gab es laut der UAW-Datenbank  seit dem Jahr 2000 in Deutschland nur 456 Verdachtsmeldungen von Todesfällen nach Impfungen, was um mehr als die Hälfte weniger ist als die 1.254 Meldungen im PEI-Bericht. Ein Vergleich zwischen der Anzahl der vermuteten Impfkomplikationen nach der Corona-Impfung mit der Anzahl der vermuteten Komplikationen nach diversen anderen Impfungen in den vergangenen Jahrzehnten ist laut der PEI-Sprecherin aber unwissenschaftlich und entspreche bildlich gesprochen "einem Versuch, in dem Äpfel mit Birnen verglichen werden". Aussagen, die auf der Grundlage dieses Vergleichs getroffen würden, würden zu falschen Schlussfolgerungen führen und seien irreführend.

Unterschiedliche Zeiträume

Auf den ersten Blick wirkt die vergleichsweise geringe Zahl gemeldeter Todesfälle nach allen Impfungen im Vergleich zu den gemeldeten Todesfällen nach Corona-Impfungen tatsächlich wie eine große Diskrepanz. Allerdings gilt es hierbei - worauf auch die Sprecherin hinwies - miteinzubeziehen, dass die Corona-Impfkampagne erst einige Monate dauert, die anderen Impfungen aber über eine Zeitspanne von fast zwei Jahrzehnten verabreicht worden sind. Rein rechnerisch müsste man also gleiche Zeiträume miteinander vergleichen.

In den letzten Jahrzehnten wurden in Deutschland in acht Monaten durchschnittlich 24.529.411 Impfdosen verabreicht. Die Corona-Impfung wurde aber in diesem Zeitraum 102.000.000 Mal verabreicht - das sind viermal so viele Impfdosen. Alleine schon entsprechend um diesen Faktor müsste die Rate der gemeldeten Todesfälle oder Nebenwirkungen aufgrund der höheren Impfquote größer sein. "Es ist ein Unterschied, ob beispielsweise 20 Millionen Impfdosen innerhalb von mehreren Wochen verabreicht werden oder innerhalb von mehreren Monaten. Je mehr Impfungen pro Zeiteinheit verabreicht werden, umso mehr Verdachtsfallmeldungen jeder Art müssen statistisch erwartet werden", so die PEI-Sprecherin.

Zudem haben einige Faktoren Einfluss auf das Meldeverhalten nach der Corona-Impfung. So werde etwa bei einer Pandemiebedingten großen Impfkampagne und dem damit verbundenen öffentlichen Interesse mehr gemeldet als bei lang etablierten Impfstoffen und im Rahmen normaler Impfungen, bestätigte die PEI-Sprecherin. Dazu kommt, dass es sich bei den Corona-Impfungen um ganz neue Impfstoffe handelt. Außerdem hätten bei dieser Kampagne das Paul-Ehrlich-Institut und viele andere öffentliche Institutionen "ganz intensiv" zu Meldungen aufgerufen, "um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Daten zu erhalten".

Personengruppe

Ein weiterer Punkt muss berücksichtigt werden - die Personengruppe. Zu Beginn der Impfkampagne wurden vorwiegend ältere Menschen und solche mit schweren Vorerkrankungen geimpft. Daher war damit zu rechnen, dass es "eine gewisse Anzahl von zufälligen Todesfällen" gibt, die zwar in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung stehen, aber nicht kausal mit ihr zusammenhängen, schreibt etwa das Robert Koch-Institut (RKI) (11) mit Bezug auf das PEI. Auch die PEI-Sprecherin betont, dass damit gerechnet werden müsse, dass einige Menschen zufällig nach der Impfung sterben, die aber auch ohne die Impfung gestorben wären.

Zusammenfassend gilt, dass um sich über die Sicherheit der Impfstoffe und deren Nutzen-Risiko-Profil informieren zu wollen, "nur verlässliche Quellen, wie diese Sicherheitsberichte des PEI, genutzt werden" sollten. Allein die Zahl von Verdachtsfallmeldungen sei für Auswertungen zur Sicherheit von Impfstoffen nicht geeignet, resümiert das PEI.

Wo hingegen die Verdachtsmeldungen laut dem Institut eine große Rolle spielen, ist in Bezug auf die sogenannte Signaldetektion - also für das Erkennen möglicher bisher unbekannter Risiken von einem Impfstoff: "Daher sind Verdachtsfallmeldungen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen ein wertvolles Instrument, um mögliche Risiken, insbesondere auch sehr seltene Risiken - die z.B. seltener als bei einer von 10.000 geimpften Personen - von Impfstoffen zu erkennen."

Neben dem Paul-Ehrlich-Institut und dem BASG überwachen noch einige andere Institutionen laufend die Sicherheit von Corona-Impfstoffen. Auf EU-Ebene etwa die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), in den USA die Behörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und in Großbritannien die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA).
 

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