Coronavirus

'Wir retten Menschen, die sowieso bald tot wären'

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Der Tübinger Oberbürgermeister sorgt mit seiner Kritik an den Corona-Maßnahmen für Aufregung. 

Der deutsche Grünen-Politiker Boris Palmer hat den weltweiten Lockdown der Wirtschaft wegen der Corona-Krise erneut scharf kritisiert. "Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären - aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen", sagte der Tübinger Oberbürgermeister am Dienstag im Sat.1-Frühstücksfernsehen.
 
Der Armutsschock, der aus der weltweiten Zerstörung der Wirtschaft entstehe, bringe nach Einschätzung der Vereinten Nationen hingegen Millionen Kinder ums Leben. "Wenn Sie die Todeszahlen durch Corona anschauen, dann ist es bei vielen so, dass viele Menschen über 80 sterben - und wir wissen, über 80 sterben die meisten irgendwann, sagte Palmer. Er hatte schon früher die Politik zur Corona-Eindämmung kritisiert und für strenge Quarantänemaßnahmen für Risikogruppen sowie eine rasche Öffnung der restlichen Gesellschaft plädiert. Palmer empfahl in der Fernsehsendung darüber hinaus, alle verfügbaren Testkapazitäten einzusetzen, und sprach sich - anders als seine Partei - für eine verpflichtende Handyapp aus, die Infektionen nachverfolgt.
 

Gegen hohe Erwartungen

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dämpfte unterdessen Hoffnungen auf eine weitere Lockerung der Beschränkungen in der Corona-Krise. "Wir wissen momentan noch überhaupt nicht, wie sich die jüngsten Lockerungsmaßnahmen auf das Infektionsgeschehen auswirken", sagte Dreyer der "Rheinischen Post" vom Dienstag. Sie wolle daher "zu hohe Erwartungen" an weitere Lockerungen nach dem Gespräch von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag dämpfen.
 
Trotz größtmöglicher Einigkeit in grundsätzlichen Fragen müsse immer Raum für unterschiedliche Ausgestaltungen sein, weil die Regionen unterschiedlich betroffen seien. "Wir müssen immer wieder jeden einzelnen Schritt abwägen, denn im Zweifelsfall hängen Menschenleben davon ab", mahnte Dreyer. Die Gesellschaft werde "noch sehr lange" mit dem Virus leben müssen. "Daher bleiben Abstandhalten, Hygieneregeln und der sorgsame Umgang miteinander das A und O", sagte Dreyer.
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