"Von jenen angestrebten Zielwerten, die sicherstellen, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems abgewendet ist, sind wir noch weit entfernt", so das nüchterne Urteil eines Experten.
Auf den Intensivstationen gehen die Zahlen zurück -jedoch nur langsam. 668 Erkrankte waren es am Donnerstag, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten - 37 Patienten bzw. 5,3 Prozent weniger als vor einer Woche. Ein Rundruf in den Bundesländern zeigte zumindest eine weiterhin kritische Situation, in Oberösterreich und Tirol war die Auslastung bei den Intensivbetten laut AGES-Dashboard am höchsten bei über 80 Prozent - der Österreichschnitt lag bei rund 55 Prozent.
Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) sieht laut ihrem Präsidenten Klaus Markstaller inzwischen leichte Rückgänge bei der Zahl schwer an Covid-19 Erkrankter, "verbunden mit der Hoffnung, dass die abnehmenden Infektionszahlen sich hier zeitversetzt noch deutlicher auswirken werden." Allerdings sei das noch keineswegs ein Grund zur Entwarnung, so der ÖGARI-Präsident in einem Statement am Donnerstag. "Von jenen angestrebten Zielwerten, die sicherstellen, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems abgewendet ist, sind wir noch weit entfernt. Lockerungen bei bestehenden Maßnahmen und nächste Öffnungsschritte müssen behutsam und mit Bedacht gesetzt werden, um diese ersten Erfolge nicht zu gefährden und eine noch deutlichere Trendwende sicherzustellen."
Auch wenn in Oberösterreich von Mittwoch auf Donnerstagvormittag die Bettenbelegungszahl auf den Intensivstationen von 151 auf 144 zurückgegangen sind, sei sie "immer noch in einem Bereich, der alles andere als normal zu bezeichnen wäre", schätzte der Krisenstab die Situation ein. Jedoch deute die Entwicklung darauf hin, dass "das Thema Triage wohl vorerst abgewendet ist". Die Lage auf den Tiroler Intensivstationen war weiter angespannt, hieß es seitens des Landes gegenüber der APA. Situationen, in denen es zu einer Überlastung gekommen wäre bzw. Menschen nicht mehr behandelt werden konnten, seien dem Land aber nicht bekannt, hieß es.
In den Spitälern der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft KAGes ist die Lage um Intensivbetten angespannt. Zu Triagen sei es laut Reinhard Marczik, Sprecher der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft "Gott sei Dank nicht" gekommen. "In den KAGes-Spitälern hat es in den vergangenen drei Tagen sinkende Fallzahlen gegeben, das gibt leichten Anlass zur Hoffnung. Die Situation ist aber noch immer auf hohem Niveau angespannt", wie der Sprecher gegenüber der APA ausführte.
Im Bereich des Personals - zur Spitzenzeit waren 1.200 Mitarbeiter im 'normalen' Krankenstand und rund 400 fehlten coronabedingt - habe sich die Situation etwas entspannt. Planbare medizinische Eingriffe, die danach eine intensivmedizinische Behandlung nötig machen, seien seit November wenn möglich kurz bis mittelfristig verschoben, um so die Betten für Notfälle und Corona-Patienten freizuhalten.
In den Burgenländischen Spitälern der KRAGES (Burgenländische Krankenanstalten Ges.m.b.H.) habe sich die Lage zwar auf einem sehr hohen Niveau, aber doch stabilisiert, sagte ein KRAGES-Sprecher am Donnerstag auf APA-Anfrage. Das Personal sei wirklich unter Druck: "Es herrschen schwere Bedingungen nach wie vor." Die Leute seien müde und bräuchten Regeneration. Die Triage habe man bisher nicht anwenden müssen. Aktuell seien zwölf von 30 Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. "Es ist noch nicht vorbei, man sieht nur eine gewisse Stabilisierung", sagte der Sprecher.
Auch im Krakenhaus der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt habe man bisher auf die Triage verzichten können: "So eng waren die Kapazitäten nicht", so die Sprecherin des Spitals, Carla Schmirl. Man bemerke derzeit bei den Belegzahlen eine Stabilisierung, es gehe momentan nicht nach oben. Dies sei nur machbar gewesen durch ganz starke interne Umstrukturierungen und den laufenden Austausch zwischen den Häusern, indem man alle möglichen Kapazitäten mobilisiert habe und zusammengerückt sei.
Nicht wirklich entspannt hat sich die Lage in Salzburg. Die Zahl der Corona-Patienten auf den Normalstationen ist zuletzt kaum gesunken. Auf den Intensivstationen pendelt sie seit mehr als einem Monat konstant zwischen 20 und 28, in den ersten Dezembertagen waren es jeweils 24 Personen in Intensivbetreuung. In diesen drei Tagen meldeten die Spitäler im Land allerdings auch 19 Todesfälle - Betten wurden also auch dadurch frei, weil Patienten starben.
Dem medizinischen Covid-19-Krisenstab des Landes bereitet dabei die hohe Zahl an Neuinfektionen in den Seniorenheimen in Salzburg Sorgen. Alleine von gestern auf heute seien 51 neue Fälle bekannt geworden, sagte ein Sprecher des Krisenstabs zur APA. "Wir müssen damit rechnen, dass ein Teil davon auch in den Krankenhäusern landen wird."
Was die Versorgung von Patienten ohne Covid-19 betreffe, gebe es regionale Unterschiede. Während das Tauernklinikum (Pinzgau) fast auf Normalbetrieb laufe, hätten andere Spitäler ihre OP-Kapazitäten um bis zu ein Drittel reduziert. Die Versorgung von Notfallpatienten sei aber immer gewährleistet gewesen.
"Man muss auch bedenken, dass die Krankenhaus-Mitarbeiter de facto seit März auf 120 Prozent arbeiten." Diese seien bereits im ersten Lockdown extrem gefordert gewesen und hätten dann bis zur zweiten Welle den OP-Stau abgearbeitet. "Wir denken darüber nach, auch bei einer Entspannung der Situation einzelne Betten zu sperren, damit Ärzte und Pfleger auf Urlaub gehen können."
Die Auslastung der Intensivkapazitäten in Niederösterreich bewegt sich nach Angaben der Landesgesundheitsagentur "immer noch auf einem hohen Niveau". Mit Stand vom Donnerstag habe es 113 freie Betten gegeben. Überhaupt habe es im Bundesland in den vergangenen Wochen "durchgängig freie Intensivbetten" gegeben.
In den Kliniken des Wiener Gesundheitsverbundes werden aktuell 559 Patientinnen und Patienten mit schwerem Corona-Verlauf betreut, davon 113 auf einer Intensivstation. Das teilte eine Sprecherin am Donnerstagnachmittag auf APA-Anfrage mit. Im Wochenvergleich habe es einen leichten Rückgang gegeben, allerdings hat sich die Lage noch nicht entspannt.
Am Donnerstag der Vorwoche mussten noch 590 Corona-Erkrankte in den Spitälern betreut werden, davon 125 auf der Intensivstation. "Die Lage in unseren Kliniken hat sich demnach nicht weiter verschärft. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich entspannt hätte. Man könnte von einer Stabilisierung auf hohem Niveau sprechen. Wir kämpfen nach wie vor jeden Tag rund um die Uhr um das Leben von 113 Corona-Intensivpatientinnen und -Intensivpatienten und wir tun alles dafür, dass weitere 446 Erkrankte gar nicht erst auf die Intensivstation müssen", so die Sprecherin.
Als "stark überlastetet" bezeichnete die Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die Situation am Donnerstag. Falls die Zahlen nicht weiter stiegen, können Kapazitätsüberschreitungen bis hin zur drohenden Triage verhindert werden, meinte er am vergangenen Wochenende.