Richard Greil, der leitende Internist und Infektiologe am Salzburger LKH, spricht mit ÖSTERREICH über die aktuelle Lage an den Spitälern.
ÖSTERREICH: Wie dramatisch ist die Lage in Spitälern – laut AGES sind mehr als 10.000 Spitalsbetten verfügbar für Corona-Patienten?
Richard Greil: Wir haben in sehr vielen Krankenhäusern bzw. Abteilungen in Österreich auch schon ohne Covid eine Vollauslastung. Ebenfalls ohne Corona gibt es zum Teil gesperrte Betten weil es zu wenig Pflegepersonal und zu wenig Ärzte für die spezielle Versorgungsform gibt. Das nächste: Sie brauchen qualifiziertes Personal. Für die Behandlung von Patienten mit beidseitigen Lungenentzündungen, Nierenproblemen und neurologischen Symptomen benötigen sie dafür qualifiziertes Ärzte- und Pflegepersonal. Dieses Personal ist durch Freisetzung von medizinischem Personal aus dem Bereich elektiver chirurgischer Eingriffe nicht ersetzbar, diese Ärzte und Pflegepersonen können unterstützend mitwirken, nicht aber vollen Leistungen gleichwertig übernehmen.Es wäre absurd anzunehmen, dass in hochspezialisierter Medizin jede Person durch jede andere Person ersetzbar wäre.
ÖSTERREICH: Aber wir können die Zahl der Betten erhöhen, indem wir planbare Behandlungen verschieben…
Greil: Sie dürfen nicht vergessen, wir können im konventionellen Bereich eine Fülle der Leistungen definitiv nicht verschieben. Wir können und dürfen die Krebstherapien nicht verschieben und auch nicht die Dialysetherapien und viele andere Leistungen, wenn nicht schwerer Schaden entstehen soll. Zudem müssen die dafür qualifizierten Ärzte auch noch einen Teil der COVID Versorgung übernehmen. Der wahre Spielraum ist signifikant geringer und der wird durch allgemeine Bettenangaben in den öffentlich vermittelten hoch unterschiedlichen Dimensionen nicht reflektiert. Zudem findet ein hoher Teil hochkomplexer Leistungen im tagesklinischen und ambulanten Bereich statt, der durch Bettenangaben überhaupt nicht dargestellt wird.
ÖSTERREICH: Wie ist es bei Intensivbetten?
Greil: Die einzelnen Covid-Patienten liegen sehr lange: auf einer Intensivstation vor allem wenn sie beatmet werden, bis zu drei Wochen und manchmal auch darüber. Das heißt sie besetzen überproportional viel Platz. Auch für die Intensivstation gilt, das Personal ist nicht einfach austauschbar bzw. vermehrbar.
ÖSTERREICH: Wie ist also die derzeitige Lage?
Greil: Ohne es übertreiben zu wollen, die Zusatzbelastung stellt uns vor riesige Herausforderungen, die nur kurzfristig von der Medizin bewältigbar sind. Anders ausgedrückt: Wenn Sie davon ausgehen, dass heute eine Maßnahme gesetzt wird, dann wird sie – wenn sie wirkt – innerhalb von drei Wochen einen Effekt auf die Dämpfung der Krankenhausaufnahmen haben. Bis dorthin haben Sie eine ununterbrochene Anflutung von Patienten. Faktum ist: Das Krankenhaussystem ist derzeit schon sehr, sehr angespannt.
ÖSTERREICH: Steht das Krankenhaussystem vor dem Kollaps?
Greil: Aus meiner Sicht gibt es eine sehr gestresste Situation in den Krankenanstalten. Der Reservespielraum ist sehr eng und wir kommen bereits jetzt in eine kritischen Situation, die auf eine noch kritischere zugeht.