Darf während einer Pandemie auch nach den Kosten gefragt werden? Ja, findet die INSIDER-Redaktion und recherchierte zum Corona-Notlazarett in der Messehalle A.
Wien. Länger als einen Monat lag niemand in den 880 Betten: Die 15.000 Quadratmeter große Halle A der Messe Wien blieb in ihrer neuen Funktion als „Betreuungsraum“ für Coronavirus-Patienten ungenutzt. Zum Glück hat sich bei uns die Virus-Ausbreitung stark reduziert, die Fallzahlen sinken stetig – und laut Gesundheitsministerium waren Mitte dieser Woche österreichweit noch 16.700 Spitalsbetten frei.
Erst am Freitag kam die Meldung, dass die ersten vier Coronavirus-Patienten – drei Frauen und ein Mann – in den umgestalteten Räumlichkeiten der Wiener Messe untergebracht wurden. Sie können aus unterschiedlichen Gründen - unter anderem wegen beengter Wohnverhältnisse - die Quarantäne nicht zuhause verbringen, teilte ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Freitag mit.
Spitalsbetreuung würden die Betroffenen nicht benötigen. Sie sind nur leicht an Covid-19 erkrankt, wurde betont. Wäre eine Behandlung in einem Krankenhaus nötig, würden sie in ein solches gebracht werden, hieß es.
Teilbelegung des Lazaretts erst nach Höhepunkt der Krise
Dass just in dieser Phase der Entspannung die zu einem Coronavirus-Notlazarett umgestaltete Messehalle in Betrieb genommen wird, sorgte etwas für Irritationen: Rasch wurde erklärt, dass die Belegung ein „Testbetrieb“ für eine mögliche zweite Welle an Corona-Erkrankungen sei. Und infizierte Touristen, Flüchtlinge und Obdachlose seien dort besser als wie bisher in zwei Gebäuden im Geriatriezentrum am Wienerwald untergebracht.
Kapazitäten. „Vielleicht wollte aber kein Politiker den Fall riskieren, dass tatsächlich kein einziger Corona-Patient dieses Notlazarett je gesehen hat. Immerhin wären doch in Wien genug Spitalsbetten frei“, meinte ein Mitarbeiter eines Rettungsdienstes zum INSIDER. Und: Wir sollen doch einmal nachfragen, was die Nutzung der Messehalle die Steuerzahler kostet.
Zwei Verträge garantieren ein Gesamtbudget von 66 Millionen
Über die Kosten des ganzen Projekts fand der INSIDER mehr in einem Beschluss des Wiener Stadtsenats, bei dem am 9. April alle Parteien außer der FPÖ mitgestimmt haben: Es gibt dazu zwei Verträge, einen „Betriebsvertrag“ und einen „Bestandsvertrag“ der Stadt.
Budget. Der „Bestandsvertrag“ regelt, dass für die Betreibergesellschaft der Messehalle A für Miete, Betriebskosten, Reinigung und den Aufbau ein Gesamtbudget von elf Millionen Euro bereitgestellt wird. Das heißt: Mietet die Stadt Wien die Halle sechs Monate lang (was ein sehr großer Zeitraum wäre), dann kostet das Notlazarett pro Monat 1,83 Millionen – oder 61.000 Euro pro Tag.
"Die Endabrechnung wird viel niedriger ausfallen"
Zu diesem Budget des „Bestandsvertrags“ kommen noch die möglichen Kosten aus dem „Betriebsvertrag“: Den hat die Stadt mit dem Arbeiter Samariterbund geschlossen, der die Versorgung und medizinische Betreuung der Patienten sowie den Sicherheitsdienst übernimmt. Dafür gibt’s ein Budget von 55 Millionen Euro.
Die möglichen Ausgaben für das Corona-Notquartier summieren sich so auf 66 Millionen Euro. Dazu eine Erklärung aus dem Wiener Rathaus: „Diese budgetierten Gesamtkosten fallen nur bei einer Voll-Auslastung an. Die Endabrechnung wird sicher viel niedriger sein.“
Das Floridsdorfer Krankenhaus, dessen Abteilungen erst im Vorjahr ins neue KH Nord übersiedelt worden sind, wäre auch als Corona-Notquartier mit 250 Betten zu nutzen gewesen. Noch dazu gratis.
Richard Schmitt