Coronavirus

Schüler drohen durch Lockdown lebenslange Folgekosten

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Laut IHS-Zahlen müssen Schüler pro Lockdown-Monat mit späteren Gehaltseinbußen von jährlich bis zu 200 Euro lebenslang rechnen.

Wien. Nach dem Wifo hat am Dienstag auch das Institut für Höhere Studien (IHS) auf die "enormen" volkswirtschaftlichen Kosten von Schulschließungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hingewiesen. Laut den Autoren Martin Kocher und Mario Steiner droht den betroffenen Schülern pro Schul-Lockdown-Monat ein Erwerbseinkommensverlust von mindestens 100 bis 200 Euro, dazu kommt durch Betreuungsverpflichtungen der Eltern noch einmal ein erheblicher Produktivitätsverlust.

Die kurz-, mittel- und langfristigen Kosten von Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie seien vielschichtig, betonen die Autoren des Policy Briefs: Die Umstellung auf Fernunterricht führe durch weniger aufgewendete Zeit für schulische Aktivitäten zu "massiv negativen Effekten auf den Kompetenz- und Wissenserwerb", und zwar vor allem bei Jüngeren und benachteiligten Schülern, deren Eltern sie nicht so gut beim Lernen unterstützen können. Dazu komme gerade bei Kindern aus benachteiligten Haushalten noch die höhere Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit, betonen die beiden Forscher.
 
Sie verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Verschärfung von sozialer Ungleichheit durch Schulschließungen: So konnten nach Lehrer-Schätzungen etwa zwölf Prozent der Schüler durch Fernunterricht nicht erreicht werden, unter benachteiligten Schülern waren es 37 Prozent. Vor allem bei benachteiligten Jugendlichen seien die Kompetenzverluste ausgeprägt, generell seien Langzeitfolgen wie früher Bildungsabbruch, höhere Dropout-Quoten bzw. geringere Karrierechancen zu erwarten. "Auf sehr vorsichtiger Schätzbasis" sei ein Erwerbseinkommensverlust aller betroffenen Schüler von 100 bis 200 Euro pro Distance-Learning-Monat zu erwarten, macht bei rund 1,1 Mio. Schülern einen Verlust von mehr als zwei Mrd. Euro (0,5 Prozent des BIP) "oder mehr".

Produktivitätseinbußen der Eltern

Durch die Betreuung vor allem von Pflichtschülern komme es zudem zu Produktivitätseinbußen der Eltern, die ja nicht gleichzeitig arbeiten und Kinder unterrichten oder betreuen könnten - auch wenn Arbeit zum Teil am Abend oder frühen Morgen nachgeholt werden könne, was durch die verlorene Freizeit wieder zu Wohlfahrtsverlusten bei den Betroffenen führe. Kocher und Steiner gehen davon aus, dass durch jede Woche der Schließung von Pflichtschulen direkte Kosten von 300 Mio. Euro entstehen. Das wäre nach "vorsichtiger Schätzung" gut eine Milliarde Euro bzw. 0,25 Prozent des BIP pro Schul-Lockdown-Monat. Dabei gehen die Forscher vom überlinearen Anstieg der Kosten aus, weil die Betreuungsnotwendigkeiten mit Dauer der Schließungen umfangreicher werden.
 
Die ökonomischen Gesamtkosten der Schließung der Schulen im Frühjahr gehen laut Kocher und Steiner in die Milliarden, inklusive langfristiger Kosten in einen zweistelligen Milliardenbereich. Dabei seien hier die psychologischen Kosten noch nicht einberechnet. Die Schließung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sollte daher "die ultima ratio in der Pandemiebekämpfung sein". Sollten diese dennoch notwendig sein, müsse sichergestellt sein, dass die Schüler über die nötige technische Ausstattung verfügen, es Unterstützungssysteme wie Schulsozialarbeiter und externe Lernunterstützung gibt und Lehrer in der Lage sind, schülerzentriertes und aktiv einbindendes Distance Learning durchzuführen. Außerdem brauche es Unterstützung der Eltern, die durch die Betreuung ihrer Kinder belastet werden.
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