Dokumente von Pfizer aus dem Jahr 2021 sorgen derzeit für Aufregung.
Bereits seit einiger Zeit ist die Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt. Vor wenigen Tagen hob die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar den internationalen Gesundheitsnotstand auf. Trotzdem verbreiten Gegner der Corona-Maßnahmen weiter altbekannte Falschinformationen, beispielsweise dass die Corona-Impfung für Schwangere sowie Stillende und deren Babys nicht sicher sei. Das würden Dokumente von Pfizer aus dem Jahr 2021 belegen, heißt es in den Online-Beiträgen.
Einschätzung: Die Daten lassen diesen Schluss nicht zu. Studien namhafter Fachzeitschriften aus den Jahren 2021 und 2022 identifizierten für Schwangere, die die Corona-Impfung erhalten hatten, keine Sicherheitsbedenken. Die Impfung wird unter anderem von der US-Gesundheitsbehörde CDC und der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) empfohlen.
Überprüfung: Das Dokument, auf das sich die Online-Beiträge berufen, findet sich auf einer Webseite der Gruppe "Public Health and Medical Professionals for Transparency" (PHMPT). Die Organisation forderte mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes, Freedom of Information Act (FOIA), von der Food and Drug Administration (FDA) die Veröffentlichung aller Daten, die zur Zulassung des Corona-Impfstoffs von Pfizer geführt hatten.
Bei der FDA handelt es sich um die Arzneimittelbehörde der USA. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein US-amerikanisches Gesetz, mit dem Menschen Zugang zu Behördendokumenten verlangen können.
Im Jänner 2022 urteilte ein Gericht in Texas, dass die FDA Zehntausende von Seiten jeden Monat herausgeben müsse. Die PHMPT veröffentlichte daraufhin Hunderte dieser Dokumente unkommentiert auf ihrer Webseite. Darunter ist jenes über Schwangere und Stillende, das in Sozialen Medien nun verbreitet wird - Impfrisiken belegt es aber keine.
Unterschrieben wurde das Dokument von einer Person namens Robert T. Maroko. Der Name kommt regelmäßig in medizinischen Fachartikeln zu Impf-Themen vor und der Mann arbeitet einem LinkedIn-Beitrag zufolge bei Pfizer.
Inhalt des Pfizer-Dokuments
In dem Dokument sind Fälle von Nebenwirkungen aufgelistet, die in zeitlichem Zusammenhang zur BioNTech/Pfizer-Impfung stehen. Sie stammen aus Pfizers Datenbank "Pharmacovigilance (Safety) Database". Der Startpunkt ist demnach der Entwicklungsbeginn der Impfung - wobei kein genaues Datum genannt wird - bis zum 28. Februar 2021. Es geht um Frauen, die zum Zeitpunkt der Impfung schwanger waren oder gerade gestillt haben.
Die Pfizer-Datenbank besteht aus Meldungen, die entweder direkt an Pfizer oder an Gesundheitsbehörden ergingen oder die etwa aus medizinischer Literatur oder Studien stammten. Die gemeldeten Nebenwirkungen bzw. Zwischenfälle ("adverse events") müssen nicht in kausalem Zusammenhang zur Impfung stehen, heißt es zudem.
673 solcher Fälle seien eingegangen. 458 dieser Frauen seien gerade schwanger gewesen, 215 hätten gerade ihr Baby gestillt. Bei 248 der Schwangeren seien Nebenwirkungen gemeldet worden. 53 Frauen hätten eine Fehlgeburt erlitten, wovon aber 13 Frauen seien, die eine medizinische Vorgeschichte von Endometriose, Fehlgeburten oder unregelmäßigen Perioden gehabt hätten sowie eine Frau mit Covid-19. Diese wurden von dem Bericht ausgeschlossen. Auf die restlichen 39 Fälle wurde auf den Seiten vier und fünf genauer eingegangen.
Aussagekraft des Pfizer-Dokuments
Der Online-Artikel ist irreführend, da er die falschen Schlussfolgerungen zieht. Es wird suggeriert, dass erwiesen sei, dass die beschriebenen Nebenwirkungen in kausalem Zusammenhang zur Corona-Impfung stünden - was nicht der Fall ist. Die Daten in dem Bericht sind höchstens eine unvollständige Auflistung von Frauen, die während ihrer Schwangerschaft geimpft wurden und daraufhin Symptome wie Kopfweh, Übelkeit oder Müdigkeit hatten. Diese Symptome gehen sehr häufig mit einer Schwangerschaft einher und sind per se kein Indiz auf eine Impf-Nebenwirkung.
Genauso verhält es sich bei der Zahl der nach einer Impfung erfolgten Fehlgeburten. Der Argumentation des Online-Artikels folgend wären 39 Fälle von Fehlgeburten aufgerechnet auf die 248 genannten Schwangeren 15,7 Prozent. Selbst wenn man annimmt, dass diese Zahlen valide sind, lassen sie nicht den Schluss zu, dass die Impfung für Föten oder Babys ein hohes Risiko darstelle.
Denn wie bereits in einem früheren APA-Faktencheck beschrieben, liegt dem medizinischen Journal "The Lancet" (2021) zufolge das Gesamtrisiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, unter allen wahrgenommenen Schwangerschaften bei 15,3 Prozent. Die US-Stiftung "March of Dimes" gab das Risiko mit zehn bis 15 Prozent an. Die US-Organisation Planned Parenthood nannte zehn bis 20 Prozent. Laut dem wissenschaftlichen Informations-Portal "Science Direct" (2019) ist die Fehlgeburt die häufigste Komplikation in der Schwangerschaft. Berichten zufolge hätten 12 bis 24 Prozent der Frauen mit positivem Schwangerschaftstest eine Fehlgeburt. Zu beachten gilt hierbei, dass Fehlgeburten nicht einheitlich definiert werden.
Die Anzahl der angeführten Fälle ist im Vergleich zu den insgesamt verabreichten BioNTech/Pfizer-Impfungen gering. Auf die Gefahr falscher Schlussfolgerungen wird an mehreren Stellen im Bericht eingegangen, etwa auf Seite sieben: "Es ist wichtig zu beachten, dass die Datenbank (...) für das Generieren von Hypothesen und nicht für die Überprüfung von Hypothesen bestimmt ist".
Impf-Empfehlung von Gesundheitsinstitutionen und Forschung
Nicht ohne Grund haben im Jahr 2021 zahlreiche Gesundheitseinrichtungen Schwangeren empfohlen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen (Anm. meist bezog sich die Empfehlung auf einen mRNA-Impfstoff). Darunter befanden sich die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG).
Das gilt im Übrigen auch für stillende Frauen. Laut der OEGGG geht der mRNA-Impfstoff nicht in die Muttermilch über, die schützenden Antikörper aber schon. Einer kleinen Studie zufolge konnte kurz nach der Corona-Impfung bei stillenden Müttern Spuren des mRNA-Impfstoffs in der Muttermilch nachgewiesen werden. Das stellt laut den forschenden Medizinern aber trotzdem keine Sicherheitsbedenken dar.
Studien namhafter Fachzeitschriften wie dem "New England Journal of Medicine" , dem "Journal of the American Medical Association" oder dem "The BMJ" aus den Jahren 2021 und 2022 identifizierten für Schwangere, die die Corona-Impfung erhalten hatten, keine Sicherheitsbedenken.
In der aktuellsten der Studie, jener von "The BMJ" von August 2022, heißt es etwa in der Zusammenfassung: "Die Covid-19-Impfung ist die sicherste und wirksamste Möglichkeit für Schwangere, sich und ihr Baby vor einer schweren Covid-19-Erkrankung zu schützen. Die verfügbaren Daten sprechen nicht für ein erhöhtes Risiko von Schwangeren, die eine Covid-19-Impfung erhalten haben. Weil die Vorteile der Impfung mögliche Risiken zu überwiegen scheinen, sollte sie empfohlen werden."