Coronavirus

Zentralrat der Juden: Corona-Demos werden von Rechtsradikalen genutzt

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Auch deutsche Justizministerin Lambrecht warnt vor ''rechten Wirrköpfen'' bei Protesten.

Berlin. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat davor gewarnt, sich bei Demonstrationen gegen Corona-bedingte Beschränkungen mit Rechtsradikalen gemein zu machen.
 
"Rechtsradikale nutzen die durch die Corona-Krise entstandenen Ängste, um antisemitische Verschwörungsmythen und ihr radikales Weltbild zu verbreiten - im Internet aber auch auf sogenannten Hygiene-Demos", teilte Schuster am Montag mit. Wer an einer solchen Demonstration teilnehme, müsse sich bewusst machen, an wessen Seite er demonstriere. "Mit Antisemiten und Rechtsradikalen darf man sich nicht gemein machen."
 
Gegen die derzeitigen Maßnahmen mit Symbolen zu demonstrieren, die an den Holocaust erinnerten, sei geschmacklos und verhöhne die Opfer der Shoah, teilte er weiter mit. "Dessen sollten sich alle bewusst sein, die aus hehren Motiven mitmarschieren."
 
Am Wochenende hatten Tausende Menschen in vielen Städten Deutschlands gegen die Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens im Kampf gegen die Corona-Pandemie demonstriert. Wie schon in den Wochen davor waren unter den Teilnehmern unter anderem Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Rechtspopulisten und politisch schwer einzuordnende Menschen. Es kam zu Angriffen auf Polizisten und in einem Fall auch auf Journalisten.
 
Auch Deutschlands Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) reagierte mit scharfer Kritik auf die Demonstrationen gegen Auflagen in der Coronakrise, bei denen auch Extremisten protestiert hatten. "Ich habe großes Verständnis für alle, die durch die Beschränkungen in eine schwierige Lage geraten sind und hierauf aufmerksam machen möchten", sagte Lambrecht dem "Handelsblatt".
 
Die Demokratie lebe davon, dass Bürger sich frei eine Meinung bilden und diese auch öffentlich kundtun könnten. "Wer jetzt gegen die Corona-Beschränkungen demonstriert, sollte sich aber gut überlegen, in welche Gesellschaft er sich da begibt", mahnte Lambrecht. "Mich erfüllt mit großer Sorge, wenn normale Bürger zusammen mit Rechtsextremisten, Demokratiefeinden und Verschwörungstheoretikern demonstrieren." Jeder müsse sich fragen, ob er sich wirklich mit "rechten Wirrköpfen" gemein machen und sich vor ihren Karren spannen lassen wolle.
 
Lambrecht sieht den Umgang mit der Krise an einem "kritischen Punkt". "Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Erfolge bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie jetzt nicht leichtfertig verspielen." Auch bei Demonstrationen müssten Abstandsregeln und andere Vorkehrungen beachtet werden, um neue "Corona-Hotspots" zu verhindern. Die Justizministerin versprach, "dass keine Maßnahme auch nur einen Tag länger als unbedingt erforderlich in Kraft bleibt." Es sei Aufgabe der Politik, jeden Tag zu prüfen, welche Maßnahmen gelockert werden könnten und welche unbedingt weiter erforderlich seien.
 
Politikwissenschaftler wie der Berliner Professor Oskar Niedermayer glauben nicht, dass aus den Protesten eine neue politische Bewegung entstehen könnte. "Die Demonstrierenden sind politisch-ideologisch viel zu heterogen, als dass sich hieraus eine zielgerichtete, politisch verortbare und schlagkräftige Bewegung formen könnte", sagte Niedermayer dem Handelsblatt. "Daher ist es auch unwahrscheinlich, dass die AfD davon in hohem Maße profitiert." Das bedeute aber nicht, dass die Politik untätig bleiben sollte. Denn der harte Kern der Protestierenden beste "eben nicht nur aus Randfiguren mit merkwürdigen Ansichten, sondern auch aus Extremisten, die mit allen demokratischen Mitteln bekämpft werden müssen".
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