Sperre von Inhalten als Eigentor?

Facebooks gefährliches Spiel mit dem Feuer

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Weltweite Kritik an Nachrichtensperre des Online-Netzwerk in Australien.

Facebook könnte mit seinem Strategiewechsel im Vorgehen gegen die australische Regierung den Bogen überspannt haben. Politiker und Verleger weltweit haben die Entscheidung des Online-Netzwerks teils harsch kritisiert, in Australien  alle Nachrichteninhalte zu sperren . Dies sei "genauso arrogant wie enttäuschend", erklärte Australiens Ministerpräsident Scott Morrison zu dem unerwarteten Schritt in dem langen  Streit über ein geplantes Mediengesetz . Der deutsche Verband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) erklärte, Facebook zeige nun "sein wahres Gesicht".
 
Der für die Medienaufsicht zuständige britische Abgeordnete Julian Knight sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Facebook teste in Australien wohl seine Grenzen aus. "Daher stehen wir, so wie ich das sehe, alle hinter Australien."
 

Neues Mediengesetz

Das Parlament in Canberra soll in den kommenden Tagen über einen Gesetzentwurf beraten, der Plattformen wie Facebook und Google zwingen würde, ihre Werbeeinnahmen aus Nachrichteninhalten mit Medienhäusern zu teilen. Zuletzt zeichnete sich dafür eine Mehrheit ab. Die Tech-Konzerne sollen sich zunächst mit den Medienhäusern zusammensetzen, um Vereinbarungen zu treffen. Gelingt dies nicht, entscheidet ein von der Regierung berufener Vermittler. Die Reform findet weltweite Beachtung. In zahlreichen Staaten - auch den USA selbst - wird über etwaige Schritte diskutiert, um die Macht der großen amerikanischen Technologiekonzerne zu begrenzen. Die Facebook-Aktie fiel am Donnerstag (Ortszeit) an der Wall Street im Verlauf zwei Prozent.
 
Durch die plötzliche Medien-Blockade blieben auch Seiten von internationalen Anbietern wie der "New York Times" und Reuters schwarz. Zunächst waren auch Websites von Stiftungen und der australischen Bundesstaaten gesperrt - drei Tage vor dem Beginn eines landesweiten Coronavirus-Impfprogramms. Selbst Facebooks eigene Website war zwischenzeitlich betroffen.
 

"Gefährlichen Entwicklung"

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch sprach von einer "alarmierenden und gefährlichen Entwicklung". Den Zugang zu lebenswichtigen Informationen für ein ganzes Land mitten in der Nacht abzuschneiden, sei skrupellos. In Westaustralien herrscht derzeit Buschbrände-Saison, der Osten des Landes kämpft gegen Überschwemmungen. Einer Studie der Universität von Canberra zufolge nutzten 2020 ein Fünftel der Australier soziale Medien als erste Informationsquelle.
 
Facebook begründete die weit gefasste Sperrung mit Ungenauigkeiten im Gesetzentwurf. "Da das Gesetz keine klaren Leitlinien für die Definition von Nachrichteninhalten enthält, haben wir eine breite Definition vorgenommen, um das Gesetz in seiner Fassung zu respektieren." Irrtümlich gesperrte Seiten sollten wieder zugänglich sein. Der US-Konzern hat erklärt, dem Entwurf liege ein "grundsätzliches Missverständnis" zum Verhältnis der Internet-Konzerne zu Verlagen zugrunde.
 

Neue Strategie

Das weltgrößte soziale Netzwerk ändert mit der Blockade seine Strategie, nachdem es jahrelang  zusammen mit Google  gegen die Gesetzesreform vorging. Während beide zwar mit der Einstellung von Diensten drohten, schlug der weltgrößte Suchmaschinenkonzern eine andere Richtung ein und handelte mit verschiedenen Medienhäusern Vorverträge für seine Plattform News Showcase aus. Dazu gehört auch Rupert Murdochs News Corp. Google lehnte zunächst eine Stellungnahme zu Facebooks Schritt ab. News Corp warb unterdessen auf seiner größten australischen Plattform: "Du brauchst nicht Facebook, um deine Nachrichten zu erhalten."
 

Eigentor

Der Medienexperte Josef Trappel von der Universität Salzburg sprach von einer "unangemessenen Machtdemonstration". Das Vorgehen des Internetkonzerns bezeichnete Trappel im APA-Gespräch als "ein grandioses Eigentor von Facebook. Zu sagen, wir haben versehentlich die ganze Regierungskommunikation abgeschaltet, nur um das dann wieder einzuschalten - das sind Machtdemonstrationen." Er sprach auch von einer "sehr pubertäre Reaktion. So kann man nicht Medienpolitik machen."
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