Zuckerberg wurde am Dienstagabend von Europaparlamentariern befragt.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich im EU-Parlament für Fehler in Bezug auf Datenmissbrauch entschuldigt. "Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend genug gesehen, der Fehler tut mir leid", sagte Zuckerberg am Dienstagabend im Europaparlament in Brüssel. Er versprach, die ab Freitag geltende EU-Datenschutzgrundverordnung einhalten zu wollen, wich aber harten Fragen der Abgeordneten aus. Trotz der Entschuldigung und dem Versprechen des Facebook-Chefs wurde das Hearing mehr zur Farce, als zum Durchbruch.
Zuckerberg hatte sich erst nach scharfer Kritik zu einer Aussprache mit den EU-Abgeordneten bereit erklärt, nachdem er zehn Stunden lang dem US-Kongress in der Facebook-Affäre Rede und Antwort gestanden war. In Brüssel trat er nur in kleinem Rahmen vor Fraktionsvorsitzenden und Parlamentspräsident Antonio Tajani auf. Dieser wertete den Auftritt als Erfolg, doch gab es auch kritische Stimmen. So sprach der Grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon von einem "PR-Stunt", sein ÖVP-Kollege Heinz Becker meinte, es blieben noch "grundlegende Fragen offen". Tajani sagte, die Entschuldigung Zuckerbergs "alleine reicht nicht. Es geht um konkrete Verpflichtungen". Die EU-Abgeordneten hätten klar gemacht, dass sich ein Fall des Datenmissbrauchs wie bei Cambridge Analytica nie mehr wiederholen dürfe.Auf konkrete Fragen der Abgeordneten ging Zuckerberg kaum ein. "Ich habe sechs Fragen eingereicht, die mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können - und keine davon ist beantwortet worden", empörte sich der Grüne Philippe Lamberts. Eine davon war, ob Facebook seinen Mitgliedern die Möglichkeit geben werde, sich komplett personalisierter Werbung zu entziehen. Zuckerberg versprach, die Antworten nachträglich schriftlich beantworten zu wollen.
"Digitales Monster"
Mit besonders scharfen Worten fiel Guy Verhofstadt, Fraktionsvorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), auf. Zuckerberg müsse sich entscheiden, ob er in die Geschichte in einer Reihe mit Technologie-Innovatoren wie Apple-Gründer Steve Jobs und Microsoft-Gründer Bill Gates eingehen werde - oder als "ein Genie, das ein digitales Monster geschaffen hat, das unsere Demokratien zerstört".
Der Facebook-Chef hatte zuvor versucht, bei den Abgeordneten um Verständnis zu werben, indem er die positiven Aspekte des von ihm erfundenen sozialen Netzwerks hervorstrich. So nannte er etwa den "Sicherheitscheck", den Zehntausende Menschen nach den Terroranschlägen von Brüssel und in anderen Städten genutzt hätten, um über Facebook mitzuteilen, dass sie wohlauf seien. "Die Werte der Menschenrechte liegen uns am Herzen. Wir konzentrieren uns auf das Positive, das die Technologie bringen kann."
Zuckerberg räumte Versäumnisse ein
Es gebe in Europa 18 Millionen kleine Unternehmen, die Facebook nutzen, "überwiegend kostenfrei", so Zuckerberg. Fast die Hälfte von diesen Firmen habe mehr Menschen einstellen können, weil sie Facebook-Angebote nutzten. Außerdem verwies er auf Online-Mobbing und die Erkennung von Selbstmordgefährdeten. "In weniger als zehn Minuten" würden schädliche Inhalte entfernt, betonte er. Schon jetzt "sind wir in der Lage, damit 99 Prozent der ISIS bzw. Al-Kaida-bezogenen Inhalte zu identifizieren und zu entfernen", sagte er.
Zuckerberg räumte ein, dass Facebook seine Verantwortung bisher "nicht umfassend genug gesehen" habe, insbesondere im Bereich von erfundenen Nachrichten (Fake News), Einmischung in Wahlen und Datenmissbrauch. Im Jahr 2016 habe Facebook "zu langsam agiert", als es um die russische Einmischung in die US-Wahlen ging. "Wir haben uns auf traditionelle Cyberangriffe konzentriert und waren nicht genug vorbereitet, dass es koordinierte Desinformationskampagnen geben würde." Allerdings habe es seitdem "ganz beträchtliche" Investitionen gegeben, um die "Integrität" von Wahlen künftig zu schützen. Man werde die Fehler aufarbeiten, versprach er. "Die Sicherheit für die Menschen wird uns immer wichtiger sein, als unsere Gewinne zu maximieren." Zwar werde man "nie perfekt" sein, doch wolle Facebook vom reaktiven Management hin zu einem proaktiveren Ansatz kommen.
Keine politische Schlagseite
Der Facebook-Chef trat auch Kritik entgegen, dass das soziale Netzwerk eine politische Schlagseite habe. "Wir sind offen für unterschiedlichste politische Meinungen", sagte er. Von Abgeordneten der Rechten wurde darauf hingewiesen, dass seit Anfang des Jahres politisch rechts stehende Meinungen auf Facebook zu 25 Prozent reduziert worden seien. ÖVP-Abgeordneter Becker kritisierte im Anschluss an die Aussprache, es dürfe "kein intransparenter, mysteriöser Algorithmus" sein, der entscheide, welche Informationen auf Facebook aufscheinen. "Die Algorithmen müssen veröffentlicht werden." Außerdem müssten die Kriterien offengelegt werden, welche Inhalte entfernt werden. "Was in Europa illegale Nazipropaganda ist, kann in den USA durch die freie Rede geschützt sein. Was in Europa ein Kunstwerk ist und im Museum hängt, ist schon von Facebook als pornografisch gelöscht worden", schrieb Becker. Reimon wertete den Auftritt Zuckerbergs als Beleg, "dass nur politische Regulierung die Dominanz Facebooks kontrollieren kann". Dieses besitze mit Instagram und Whatsapp "mehre
Fragen und Antworten zum Skandal rund um die britische Firma Cambridge Analytica:
Worum geht es in der Affäre?
Im März enthüllte der ehemalige Cambridge-Analytica-Mitarbeiter Christopher Wylie enthüllt, dass sich die Beraterfirma Zugang zu den Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte. Sie stammten demnach aus einer App, mit der über psychologische Tests Persönlichkeitsprofile erstellt werden konnten. Cambridge Analytica wird vorgeworfen, die Daten für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump ausgeschlachtet zu haben.
Ist auch Europa betroffen?
Facebook zufolge landeten auch 2,7 Millionen Datensätze von europäischen Nutzern bei Cambridge Analytica. Der Firma wird auch vorgeworfen, die Daten britischer Bürger für eine Pro-Brexit-Kampagne missbraucht zu haben. Die britische Firma hat in allen Fällen die Datenmissbrauchsvorwürfe zurückgewiesen.
Sind auch Nutzer in Österreich betroffen?
In Österreich haben 13 Personen die betroffene Umfrage-App installiert, hieß es Anfang April auf APA-Anfrage. Die Zahl der potenziell weiteren Betroffenen - "also Personen, deren Daten möglicherweise mit der App geteilt wurden, weil Freunde sie installiert hatten" - liegt demnach bei bis zu 33.555. Ausgangspunkte sind dabei aber nicht nur die wenigen österreichischen Teilnehmer der Umfrage, sondern auch Facebook-Freunde in den USA und anderen Ländern, die wiederum bei der Umfrage mitgemacht hatten. Insgesamt könnte es demnach in Österreich bis zu 33.568 Betroffene geben.
Was hat Facebook bisher getan?
Facebook überprüfte in der Folge des Skandals Apps auf seiner Plattform, um ähnliche Fälle der unzulässigen Weitergabe von Daten zu verhindern. Mitte Mai wurden 200 Apps vorläufig gesperrt. Das Unternehmen kündigte zudem an, weltweit seine Datenschutzbedingungen in Anlehnung an die am 25. Mai in Kraft tretenden neuen EU-Regeln zu überarbeiten. "Alle - egal, wo sie leben" würden gebeten, "Entscheidungen zu ihrer Privatsphäre auf Facebook" zu treffen, erklärte das Unternehmen Mitte April.
Sieht sich Zuckerberg persönlich in der Verantwortung?
Ja. "Ich habe Facebook gestartet, ich leite es, und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert", sagte er bei einer Anhörung im US-Kongress zu dem Datenskandal im April. "Es war mein Fehler, und es tut mir Leid."
Warum ist der europäische Markt für Facebook wichtig?
Facebook hat weltweit 2,2 Milliarden Nutzer. Für das Unternehmen ist der europäische Markt dabei größer als der Heimatmarkt in den USA: Dort nutzten auf Basis monatlicher Daten zuletzt rund 241 Millionen Menschen Facebook, in Europa waren es 377 Millionen.
Warum macht die EU so viel Druck?
Die EU sieht generell die Gefahr, dass Versuche zur Wahlbeeinflussung über soziale Netzwerke zunehmen könnten. "Wir wollen, dass Wahlen zu Ergebnissen kommen, welche die echten politischen Präferenzen freier Menschen zeigen - und nicht von Menschen, die einer Gehirnwäsche unterzogen wurden", sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova der Nachrichtenagentur AFP. "Wenn man sich vorstellt, dass solche Methoden in zwei oder drei Mitgliedstaaten genutzt würden, hätte ganz Europa ein Problem."
Warum drohen Facebook und Co. künftig hohe Strafen bei Datenmissbrauch?
Die am 25. Mai in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung macht Unternehmen schärfere Vorgaben für Speicherung und Schutz von Daten und gibt Nutzern mehr Möglichkeiten, gegen Missbrauch vorzugehen. Bei Verstößen drohen hohe Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei Facebook wären das rechnerisch derzeit bis zu 1,6 Mrd. Euro. Wegen der Affäre um Cambridge Analytica kann der Konzern hier aber nicht nachträglich belangt werden.
Was passierte mit Cambridge Analytica?
Die Datenanalysefirma hat Anfang Mai ihre Dienste eingestellt. Zusammen mit dem Mutterhaus Strategic Communication Laboratories (SCL) beantragte Cambridge Analytica in Großbritannien Insolvenz. Es habe sich gezeigt, dass das Geschäftsmodell nicht länger "rentabel" sei, erklärte die Firma. "Nahezu alle Kunden" seien durch die "unbegründeten Anschuldigungen" vertrieben worden.