Rund 90 Prozent der Bevölkerung leiden mindestens einmal im Leben an Kopfschmerzen. Ständig wiederkehrende, heftige Schmerzattacken können die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Hier erfahren Sie, was am besten dagegen hilft.
Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz
Ein Pochen in der Schläfe, ein leichtes Hämmern unter der Schädeldecke oder ein dumpfer Druck hinter den Augen – es gibt kaum jemanden, der nicht schon einmal von Kopfschmerzen geplagt wurde und die Beschwerden nicht kennt. Doch Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Auswirkungen, Formen und Ursachen können sehr unterschiedlich sein. Laut internationaler Kopfschmerzklassifikation sind rund 250 verschiedene Arten definiert.
Dr. Veith Moser im Talk
1/4
Wodurch entstehen Kopfschmerzen?
Dr. Veith Moser: Die drei häufigsten Arten sind Migräne, Spannungskopfschmerzen und der Clusterkopfschmerz. Aber Kopfschmerzen können auch von, den Zähnen, dem Kiefer, der Wirbelsäule oder Verspannungen im Nacken kommen. Bei vielen weiß man nicht, woher sie kommen.
Wie kann man Migräne behandeln?
Dr. Moser: Migräne zu behandeln ist nicht immer leicht. Zur Verfügung stehen medikamentöse Therapien aber auch Alternativen wie Physiotherapie oder Akupunktur. Medikamente helfen, einen Migräne-Schub abzuschwächen. Wenn das alles nicht greift, gibt es noch weitere Methoden, wie z.B. Botox.
Wie funktioniert Botox bei Migräne?
Dr. Moser: Alle 3 bis 4 Monate wird Botox in den Muskel gespritzt. Dadurch erschlafft dieser und der Nerv ist nicht mehr eingeengt. Meist spritzt man zwischen den Augen im Bereich der „Zornesfalte“. Auch im Nacken- und Hinterkopfbereich gibt es sogenannten Triggerpunkte. Das hilft bei Migräne sehr gut, aber auch beim Spannungskopfschmerz.
Gibt es dauerhafte Lösungen ?
Dr. Moser: Seit rund 30 Jahren weiß man, dass sich Migräne durch Entfernung bestimmter Muskelstränge zwischen den Augen behandeln lässt. Die Nerven treten aus dem Schädel durch den Knochen heraus und verlaufen durch eine relativ dicke Muskelschicht. Wenn sie da eingeengt sind, löst dies Migräne aus. Man bezeichnet Migräne oft als Karpaltunnelsyndrom des Schädels. Entfernt man bestimmte Muskeln und befreit die Nerven, sind die Kopfschmerzen weg. In den 90er Jahren wurde diese klassische Migräne-Operation durch Botox abgelöst. Dank des neuen hochauflösenden Ultraschalls ist der chirurgische Eingriff wieder interessant und besser vorherzusagen. Man kann die ganz kleinen Nerven darstellen und sehen, ob Einengungen bestehen. Zeigt sich Besserung durch eine Probeblockade – ein örtliches Betäubungsmittel wird gezielt an die eingeengte Stelle gespritzt – wird der Nerv chirurgisch befreit.
Häufigste KopfschmerzartenRund 80 bis 90 Prozent der Kopfschmerzen werden als eigenständige Krankheit –
primäre Kopfschmerzen – klassifiziert. Die häufigsten Vertreter dieser Gruppe sind Migräne, Spannungskopfschmerzen und trigeminoautonome Kopfschmerzen (hier ist der fünfte Hirnnerv betroffen), wozu der sogenannte Clusterkopfschmerz zählt.
Sekundäre Kopfschmerzen treten als Symptom verschiedenster Erkrankungen (wie Infektionen, Traumata, Tumore) auf. Kopfschmerzen einzuordnen und zu erklären ist oft schwer, denn nicht zwangsläufig müssen die Stellen, an denen der Schmerz am heftigsten wahrgenommen wird, auch ursächlich mit der Entstehung der Beschwerden übereinstimmen. Stress, Schlafmangel, Wetterfühligkeit aber auch orthopädische (Verspannungen oder Veränderungen der Wirbelsäule), internistische (Bluthochdruck, hormonelle Störungen), neurologische (erhöhter Hirndruck, Entzündungen) Ursachen sowie Reizungen oder Erkrankungen von Nerven im Gesicht oder Gehirn können Kopfschmerzen auslösen. „Häufige Kopfschmerzen sollte man immer von einem Neurologen abklären lassen. Es kann auch etwas Schlimmeres dahinter stecken, wie etwa ein Hirntumor“, erklärt plastischer Chirurg und Nervenspezialist Dr. Veith Moser.
Wichtige Fakten über die häufigsten Kopfschmerzarten:
1/3
Migräne
Ursache: Migräne zählt zu den häufigsten Kopfschmerzarten. Rund 10 % der Österreicher sind betroffen. Eingeklemmte Nerven, Gefäßverengung oder -erweiterung, Sauerstoffmangel oder Entzündungen von Hirnhaut und Hirngewebe können Auslöser der Schmerzen sein. Stress, Lärm, hormonelle Schwankungen, Schlafentzug, Alkohol- und Drogenkonsum, Klimaveränderung, Nahrung oder Medikamente begünstigen einen Migräneanfall. Symptome: Starker, einseitig pulsierender Schmerz, der Stunden bis Tage anhält und oft mit Erbrechen, Lichtempfindlichkeit oder Sehstörungen einhergeht. Behandlung: Medikamente blockieren die Freisetzung der entzündungsfördernden Botenstoffe. Entspannungstechniken, Akupunktur aber auch Nahrungsergänzungsmittel Magnesium, Coenzym Q10 und Vitamin B2 können helfen. Effizient sind lokale Botulinumtoxin-Behandlungen oder chirurgische Nervendurchtrennung (Denervation) im Bereich der Stirnnerven.
Spannungskopfschmerz
Ursache: Diese häufigste Kopfschmerzform kann episodisch oder chronisch auftreten und durch verspannte Nacken- Hals- und Schultermuskulatur oder eine Störung des schmerzverarbeitenden Systems ausgelöst werden. Symptome: Beidseitige, ziehende Schmerzen („Schraubstockgefühl“), die mehrere Stunden andauern. Behandlung: Konservative Therapien helfen oft nicht lange. Medikamente können die Weiterleitung von Schmerzreizen auf die Nervenbahnen des Gehirns und Rückenmarks unterdrücken. Auch hier kann ein denervativer Eingriff helfen.
Clusterkopfschmerz
Ursache: Der Clusterkopfschmerz zählt zu den sogenannten trigeminoautonomen Kopfschmerzen. Als Ursache wird vermutet, dass die Schmerzattacken im Zwischenhirn (Hypothalamus) entstehen und vom autonomen Nervensystem und dem Trigeminusnerv (fünfter Hirnnerv, der sensible Informationen aus dem Gesichtsbereich zum Gehirn leitet) aufrecht erhalten werden. Symptome: Attackenartig auftretender, stechender, etwa 30 bis 120 Minuten andauernder Schmerz, einseitig hinter und um das Auge herum. Häufig begleitet von Beschwerden wie Augenrötungen oder Augentränen, verstopfter oder laufender Nase, geschwollenem oder hängendem Augenlid. Behandlung: Medikamentös lassen sich Stärke und Häufigkeit der Schmerzattacken verringern. Das Einatmen von reinem Sauerstoff über eine Gesichtsmaske verengt die Gefäße und lindert den Schmerz. Lokale Nervenblockaden des Hinterhauptnervs beziehungsweise neue Verfahren mit elektrischer Stimulation versprechen Hilfe.
Botox gegen MigräneWährend beim Clusterkopfschmerz meist nur Intensität und Häufigkeit der Schmerzattacken reduziert werden können, lässt sich Migräne gut behandeln. Helfen Medikamente oder konservative Therapien nicht, ermöglicht eine lokale Botulinumtoxin-(Botox-)Behandlung die Beseitigung der Schmerzen für einige Monate. Bekannt ist Botox aus der Schönheitsmedizin, um Falten zu glätten, vor allem die sogenannte Zornesfalte über der Nasenwurzel. Diese Falte entsteht durch Zusammenziehen des Gesichtsmuskels, der jedoch die kleinen Nervenäste in diesem Bereich einquetschen und eine Migräneattacke auslösen kann. „Spritzt man Botox in den Muskel, lässt es diesen erschlaffen, der Nerv hat wieder Platz und der Kopfschmerz wird besser“, so Dr. Moser. Auch im Nacken- und Hinterkopfbereich liegen sogenannte Triggerpunkte für Migräne, die sich mit Botox behandeln lassen. Diese einfache, schnelle (Botox wirkt nach 2 bis 3 Tagen) und effektive Methode hat einen Nachteil: Die Wirkung ist zeitlich begrenzt und lässt nach drei bis vier Monaten nach.
Migräne behandeln:
1/4
Medikamente
können die Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe hemmen, Weiterleitung von Schmerzreizen unterdrücken, erweiterte Gefäße verengen oder Begleiterscheinungen (Übelkeit) lindern.
Konservative Therapien
Physiotherapie, Massagen, Akkupunktur, Entspannungstechniken oder sogar Nahrungsergänzungsmittel bringen Linderung.
Botox
Injektionen mit Botulinumtoxin A in bestimmte Muskeln im Gesicht und Hinterkopf blockieren die Freisetzung des Nervenbotenstoffs Acetylcholin. Dies wirkt muskelentspannend und verringert Kopfschmerzattacken.
Chirurgischer Eingriff
Lokale Muskel- oder Nervendurchtrennung kann dauerhaft Abhilfe schaffen.
Dauerhafte Wirkung durch OPWem die Botox-Spritzen alle drei Monate zu mühsam oder zu teuer sind, der kann sich für einen kleinen chirurgischen Eingriff entscheiden. Über der Nasenwurzel treten die Nerven aus dem Schädel durch den Knochen heraus und verlaufen durch eine relativ dicke Muskelschicht. „Wenn sie da eingeengt sind, löst dies Migräne aus. Man bezeichnet Migräne daher oft als Karpaltunnelsyndrom des Schädels“, erklärt Dr. Moser. Werden bestimmte Muskeln entfernt und die Nerven wieder befreit, sind auch die Kopfschmerzen weg. Seit rund 30 Jahren ist die chirurgische Entfernung bestimmter Muskelstränge zwischen den Augen zur Migräne-Behandlung bekannt und wurde in den 90er Jahren schließlich durch Botox abgelöst. „Dank eines hochauflösenden Nervenultraschalls ist der chirurgische Eingriff nun wieder interessant und das Ergebnis lässt sich auch viel besser vorhersagen“, so der Experte. Mithilfe des Ultraschalls ist es möglich, auch ganz kleine Nerven darzustellen und zu erkennen, ob und wo eine Einengung besteht. „Operiert wird nur, wenn eine Testblockade zu einer Besserung führt. Dazu wird ein lokales Betäubungsmittel gezielt dort hin gespritzt, wo der Nerv eingeengt ist“, erklärt der Nervenspezialist. Die Operation selbst erfolgt unter Vollnarkose und erfordert eine Übernachtung im Spital. Durch einen kleinen Einschnitt im Oberlidbereich – wie bei einer Oberlidstraffung – wird der Muskel zwischen den Augen durchtrennt, beziehungsweise entfernt, und so der Druck auf den Nerv gelöst. Die Kopfschmerzen verschwinden. Die Operation hat noch einen weiteren positiven Nebeneffekt: die Zornesfalte zwischen den Augen wird ebenfalls beseitigt.