Wie trägt die Schaffung von Sozialräumen zur Reduktion von Einsamkeit bei, und wie wirksam sind die diesbezüglichen Angebote an den Nachbarschaftszentren des Wiener Hilfswerks, um die soziale Teilhabe von betroffenen Menschen zu verbessern?
Der Identifikation wirksamer Maßnahmen gegen soziale Isolation und Einsamkeit hat sich im Frühjahr 2022 ein Forschungsprojekt der SIRU* gewidmet, dessen Bericht jetzt vorliegt. Martina Forster, Johannes Gorbach und Katrin Weber befragten die Besucher*innen und Mitarbeiter*innen an zwei Nachbarschaftszentren ebenso wie Expert*innen für Freiwilligen- und Gemeinwesenarbeit. Sie wollten besser verstehen, was den Erfolg solcher Initiativen ausmacht, und wie die Angebote verstärkt werden können.
In der wissenschaftlichen Forschung wird zwischen sozialer Isolation als objektiv feststellbaren Mangel an sozialen Beziehungen unterschieden, und Einsamkeit, als einem subjektiv wahrgenommenen, schmerzhaften Zustand des Fehlens von bedeutsamen Sozialkontakten und Zugehörigkeit. Das menschliche Bedürfnis nach enger Bindung zu anderen Menschen steht bei beiden Formen im Mittelpunkt, doch können manchmal Betroffene sich selbst auch dann nicht genügend eingebunden und geborgen fühlen, wenn sie eigentlich sozialen Kontakt haben. Beide Umstände machen es für sie selbst schwierig, etwas gegen ihre empfundene Einsamkeit zu unternehmen, auch weil es ein mit Scham besetztes Thema ist. Das kann einen selbstverstärkenden Kreislauf in Gang setzen, wenn Angst und Schamgefühle Einsamkeit bewirken, die dann selbst weiteren Stress und Depressionen auslöst. In schwerwiegenderen Fällen kann das auch mit Herz- und Gefäßerkrankungen und damit erhöhter Sterblichkeit in Zusammenhang stehen.
Wenn man also wissenschaftlich zwischen verschiedenen gravierenden Stufen und Formen der Vereinsamung unterscheiden muss, ist das Forschungsprojekt über die Angebote der Nachbarschaftszentren auf der ersten Stufe angesiedelt, der Einsamkeitsprävention. Die dort untersuchten Angebote der Wiener Nachbarschaftszentren ermöglichen es den Teilnehmenden, mit anderen zusammen zu kommen, sich auszutauschen – aber auch einen regelmäßigen Termin zu haben, auf den man sich freut, sei es beim Wandern in Transdanubien oder einem Gesundheitsplausch. In der Feldforschung, qualitativen Interviews und einer abschließenden Fokusgruppendiskussion wurden Erfahrungen und Perspektiven der unterschiedlichen Beteiligten erhoben. Die Einsichten ergaben, wie der Bereitstellung von Ansprechpersonen z.B. bei Gesundheitsfragen, und dem Anleiten der Aktivitäten und Austauschmöglichkeiten durch ehrenamtlich oder hauptberuflich Mitarbeitende eine besondere Stellung zukommt, damit dauerhafte Gruppen entstehen können. Weiterreichende Erkenntnisse über Wirkungen auf das soziale Umfeld werden sich erst aus weiteren, vergleichenden Studien nach diesem Pilotprojekt ergeben, wenn zukünftig auch andere Angebote wie z.B. Telefon-basierte oder Kontaktbesuchsdienste untersucht werden.