Salzburger Festspiele

Kinder aus Venezuela beschallen Salzburg

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 Vier Chöre, acht Solisten und ein Riesen-Orchester unter Gustavo Dudamel.

Selten wirkte die Bühne des Großen Festspielhauses so gigantisch groß wie gestern, Mittwoch, Abend. Das mit vielleicht 160 Musikern besetzte Simon Bolivar Symphony Orchestra aus Venezuela hat Platz genommen, davor, dahinter und daneben acht Solisten und vier Chöre, nämlich die Chorsänger von Superar aus Wien, der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor, der Simon Bolivar National Youth Choir aus Venezuela und nicht zuletzt der Wiener Singverein - alles in allem geschätzte 250 Sänger. Man versammelte sich zum ersten von 14 Konzerten des "El Sistema" bei den Salzburger Festspielen. Auf dem Programm: Mahlers ebenso selten gespielte wie groß angelegte "Achte", die "Symphonie der Tausend".

"Symphonie der Tausend" verzauberte  
Der Beiname "Symphonie der Tausend" ist eine Erfindung des Veranstalters der München Uraufführung des Jahres 1910, und Mahler hatte mit diesem "Marketing-Gag" keine Freude. Aber dass die Achte eine alle Rahmen sprengende Tondichtung ist, darauf verweist diese Ergänzung zu Recht, und zwar nicht nur wegen der enormen Zahl an Musikern und Sängern. Mahler hat in seiner vorletzten Symphonie die solistischen Singstimmen - drei Sopranistinnen, zwei Altistinnen, ein Tenor, ein Bariton und ein Bass - genau wie den gigantischen Chorapparat permanent ins symphonische Geschehen eingebunden. Und er verwendete zwei radikal gegensätzliche Dichtungen, deren Entstehungszeiten mehr als tausend Jahre voneinander getrennt sind: Den in Latein verfassten Hymnus "Veni creator spiritus" von Hrabanus Maurus (780-856) sowie die Schlussszene von Goethes "Faust II".

Gustavo Dudamel als Zeremonienmeister   
Auch musikalisch und klanglich wirkt Mahlers Mammut-Werk zweigeteilt. Der lateinische Hymnus ist eine rauschende Klangorgie, bombastisch, tosend, sich immer weiter steigernd und am Ende durch einen doppelchörigen Blechbläsersatz, der bis dahin versteckt auf dem Rang auf seinen Einsatz gewartet hatte, ins Martialische gepuscht. Der größere zweite Teil nach Goethe hingegen hat auch kammermusikalisch zarte Töne, in denen die Hundertschaft an Musikanten von "Zeremonienmeister" Gustavo Dudamel zu lyrischem Farbenspiel angeleitet wurde.

Orchester begeisterte

Bemerkenswert homogen wirkte das Klangbild, immerhin sind die räumlichen Distanzen dieses "zusammenklingenden Apparates" groß, und die Gefahr des Auseinanderdriftens von Tempo und Rhythmus ist erheblich. Aber der 32 Jahre junge Dudamel ist ein entschlossen durchgreifender Organisator, und so fiel kaum etwas aus dem Zeitmaß. Emily Magee, Juliane Banse, Anna Prohaska, Yvonne Naef, Birgit Remmert, Klaus Florian Vogt, Detlef Roth und Kurt Rydl sollen nicht unerwähnt bleiben, sie haben ihre Aufgabe als Teil des Mahler ́schen Klangapparates gut erfüllt, ohne individualistisch herauszutreten. Chöre und Orchester präsentierten sich gut vorbereitet und haben die symphonische "Riesenkiste" gut gestemmt. Keine exemplarische, aber eine beeindruckende und passagenweise mitreißende Begegnung mit einem Koloss der europäischen Musikgeschichte.

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